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Kommentar NPD Sachsen-AnhaltNeonazis verschwinden nicht

Wolf Schmidt
Kommentar von Wolf Schmidt

Auch wenn die NPD nicht in den Landtag einzieht: Erschreckend bleibt, dass 50.000 eine Partei mit irrer Mischung an widerwärtigen Themen und skurrilem Personal wählten.

S chafft die rechtsextreme NPD den Sprung in ein Landesparlament, herrscht Hysterie - schrammt sie an der Fünfprozenthürde vorbei, wird schnell Entwarnung ausgerufen. Wenn es nur so einfach wäre.

Es stimmt: Die Niederlage schmerzt die NPD und ist ein Grund zur Freude. Die Partei hatte alle Ressourcen in den Wahlkampf in Sachsen-Anhalt gesteckt und träumte von einer Achse Dresden-Magdeburg-Schwerin, mit der sie sich im Osten festsetzen kann. Nun hat die NPD eine Viertelmillion Euro ausgegeben - und es doch nicht reingeschafft.

Es bleibt aber erschreckend, dass fast 50.000 Wähler eine Partei gewählt haben, die selbst für ihre Verhältnisse eine irre Mischung an widerwärtigen Themen und skurrilem Personal präsentierte. Da ist etwa Lutz Battke aus Laucha, ein Schornsteinfeger mit Hitlerbärtchen. Oder der frühere SPD-Ortsbürgermeister Hans Püschel, der seiner Partei den Rücken kehrte und sich nun über "Mengen an Mischlingskindern" auslässt.

Bild: taz

Wolf Schmidt ist Redakteur im taz-Inlandsressort.

Vor allem stimmt aber auch: Das Problem mit der NPD hängt nicht nur vom Abschneiden bei Landtagswahlen ab. Schließlich sitzen die Rechtsextremen in Sachsen-Anhalt schon mit knapp 30 Vertretern in kommunalen Parlamenten. Ganz zu schweigen von örtlichen Neonazis, die im Alltag in ihren Gemeinden versuchen, eine "kulturelle Hegemonie" zu erlangen.

Wie so etwas aussieht, lässt sich in manchen Regionen im Osten schon jetzt besichtigen, etwa in Ostvorpommern. Dort gibt es kleine Dörfer, in denen Bürgermeister nicht mehr gegen die Rechten regieren können.

Rechtsextremismus ist nicht nur am Wahltag ein Problem. Wenn die Kameras aus sind, sind die Nazis und ihre Anhänger immer noch da, auch wenn sie nicht in den Landtag kommen.

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Wolf Schmidt
Inlandsredakteur (ehem.)
Jahrgang 1979. War bis 2013 in der taz zuständig für die Themen Rechtsextremismus, Terrorismus, Sicherheit und Datenschutz. Wechsel dann ins Investigativressort der Wochenzeitung „Die Zeit“.

7 Kommentare

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  • V
    vic

    Dass sie nicht einfach so verschwinden, ist noch lange kein Grund, sie in Parlamente zu wählen.

  • M
    Marek

    Rechtsextremismus, Neonazis, Rassisten, Wichtigtuer und skurille Idioten können lokal vor Ort schon mal die demokratische Ordnung unseres Landes sprengen. Nach dem ganzen Generve um Sarrazin und den unverhollenen Rassismus in aller Munde, bin ich zumindest um ein wenig Optimismus bereichert. Allerdings stimme ich dem Autor zu: Diese Gefahr ist jetzt und hier gebannt, auf Dauer müssen Politiker besser auf Ängste und Wünsche von Menschen regieren (Siehe Hartz, Siehe Atomkraftwerke).

  • A
    atypixx

    Partiell verschwinden die Nazis schon: aus der öffentlichen Wahrnehmung. Und das ist in all den Bereichen sehr wertvoll, in denen die Diskussion um Nazis deren vorrangigste Manifestationsform wäre. Soll heißen: in S-A verschwinden die Nazis nicht, aber in bspw. Berlin wird auch nicht mehr über sie gesprochen. Nicht ist so verführerisch wie der Erfolg - wie abstoßend ist dann Misserfolg? Ich denke, ein bisschen aufatmen darf man schon. Auch wenn es in diesem 80-Millionen-Land ein paar Nester gibt, wo Dorffaschos den Dicken machen - was solls. Damit muss man wohl leben als Gesamtgesellschaft und notfalls wegziehen als Einzelner. Misslich, aber kein Grund für Panikstimmung. Oder?

  • A
    anke

    Die Wahl ist gelaufen. Nun, ließ der Mitteldeutsche Rundfunk heute morgen ausrichten, will man DIE Politik analysieren. Sie wolle wissen, wie es haben kommen können, dass in manch kleinem Ort 20% der Wähler ihr Kreuz bei der NPD gemacht hätten. Fein.

     

    Wie die Analyse ausgeht, kann ich mir vorstellen. Nicht die sind Schuld, die sich seit 20 Jahren in größeren Abständen um die Regierungsverantwortung streiten. Nicht die hohe Arbeitslosigkeit, nicht die niedrigen Löhne, nicht die miese Betriebskultur, nicht die fehlenden Kultur- und Freizeitangebote, nicht die nicht vorgandene ÖPNV-Anbindung, nicht die permanenten Struktur-, Schul- und Gebietsreformen und nicht die unterirdischen Immobilienpreise sind es, die den Rechten ins Blatt spielen. Schuld hat allein die untergegangene DDR. Schuld haben der Russe und die Kinderkrippen mit ihrem Töpfchenzwang. Schuld hat der dämliche Bürger, der lieber mit dem Nazi-Trainer seines fußballspielenden Sohnes beim Bier auf "die da oben" schimpft, als endlich seine ausgefransten Ärmel hochzukrempeln und sich des Umstandes würdig zu erweisen, dass Sachsen-Anhalt eine größere Aldi- und Netto-Dichte hat als jedes westdeutsche Bundesland. Eine bodenlose Frechheit ist es, dass die Ossis den guten Kohl als Lügner dastehen lassen mit seinen blühenden Landschaften. Und dabei hatte der Mann ihnen vertraut!

     

    Schuld und Verantwortung sind offenbar zweierlei. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Und deswegen wird die Analyse der Entscheider einmal mehr ergeben, dass nicht sie etwas falsch gemacht haben und also nicht sie etwas ändern müssen an ihrer Strategie bzw. Taktik, sondern die anderen. Wer auch immer die sein mögen.

  • H
    hakoenig

    Sehr geehrter Herr Schmidt, wer könnte anders als Ihnen bei der Beschreibung der NPD Kandidaten zustimmen, als dass es sich hier um Skurilitäten handelt. Aber gerade hierin sehe ich persönlich eine

    große Gefahr eines Irrtums, denn den Wählern ihre Sichtweise vorzuwerfen ist bedauerlicherweise weltfremd. Versetzt man sich in die Lage jener gibt es in ihrer Umgebung im bürgerlichen Lager ähnliche Skurilitäten, leider nur nicht gesellschaftlich isoliert. Der Zynismus jener anderen, besseren Klasse präsentiert sich leider fern ab der NPD Dikussion auf so unendlich vielen Gebieten ähnlich menschenverachtend dass es mir zunehmend schwer wird mit diesen letzt Genannten mit bei guten Absichten wie der Bekämpfung des Faschismus in die gleiche Reihe zu stellen. Vielleicht ist Ihnen dieser Komentar eine Antwort wert - würde mich freuen. Aber auch ohne diesen verbleibe ich mit den besten Grüssen Henning Adam König

  • BG
    Bernd Goldammer

    Demokratie funktioniert noch. Gut so. Doch die wundervolle Demokratie richtet gerade widerwärtigste Verbrechen in Libyen an.

  • OM
    Ostdeutscher Mitbürger

    Weise Worte.

    Leider trifft dieser Text den Nagel auf den Kopf.

    Keine Wahlen, kaum Probleme.

    Nicht das ich das Problem hochspielen möchte, aber leider ist es nachwievor nicht möglich gesamtgesellschaftlich vernünftig über diesen Zustand und seine Ursachen zu reflektieren.

    Über eine Ursachenbehebung wird noch weniger nachgedacht, Armut und Unzufriedenheit können auch nicht durch 5€ mehr für Hartz IV Empfänger verschwinden. Mindestlöhne in allen Branchen und ihre konsequente Durchsetzung, das wäre ein guter Anfang.