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Kommentar Mursi bei MerkelDie Merkel und der Mursi

Europa kann es sich nicht leisten, Ägypten an die Wand fahren zu lassen. Und Deutschland hat das Recht verwirkt, den demokratischen Lehrmeister zu spielen.

Warten auf Merkel: Muhammad Mursi.

N un kommt der ägyptische Präsident Muhammad Mursi aller Turbulenzen in seinem Heimatland zum Trotz doch auf eine Visite nach Deutschland, wenngleich kürzer als geplant. Der gewählte Muslimbruder-Präsident braucht dringend ein Erfolgserlebnis, nachdem die Proteste gegen ihn im eigenen Land nicht verstummen mögen. Da kommt eine deutsche Geldspritze und ein wenig außenpolitisches Rampenlicht für den bedrängten Präsidenten gerade recht.

Doch trotz dieser innenpolitischen ägyptischen Dynamik, sollte die Bundesregierung nicht den Fehler begehen in den Auseinandersetzungen in Ägypten Partei zu ergreifen. Der Streit zwischen Muslimbrüdern und liberaler Opposition, um den richtigen Weg für die Zukunft Ägyptens muss von den Ägyptern selbst und allein ausgetragen werden.

Bestenfalls kann Merkel Mursi nahelegen, dass die enormen wirtschaftlichen und sozialen Probleme am Nil am Ende nur im Dialog zwischen Regierung und Opposition sich lösen lassen. Merkel kann dem ägyptischen Präsidenten raten, den Bedingungen der Opposition für einen Dialog entgegenzukommen. Denn am Ende gilt: Ägypten wird nie von den Muslimbrüdern allein regiert werden können.

Aber im Moment sicherlich auch nicht ohne sie. Außerdem kann Deutschland Expertise anbieten, für die in Ägypten überfällige Reform des Staats- und vor allem Sicherheitsapparates. Die ist im Interesse aller Ägypter.

Die Kanzlerin muss dabei dem ägyptischen Präsidenten auf Augenhöhe begegnen. Nach drei Jahrzehnten deutscher Unterstützung des Diktators Mubarak im Namen der Stabilität und der guten Beziehungen - wie im Fall Saudi Arabien bis heute – ist die deutsche Politik nicht in der Position, für die arabische Welt den demokratischen Lehrmeister zu spielen.

Bild: taz
Karim El-Gawhary

ist Korrespondent der taz in Ägypten.

Am Ende geht es nicht um Mursi, sondern um Ägypten: Die bevölkerungsreichste arabische Regionalmacht, nur vier Flugstunden von Berlin entfernt, in unmittelbarer Nachbarschaft zu Israel und mit dem Suezkanal als Achillesferse des internationalen Warenverkehrs. Oberste Militärräte und Mursis kommen und gehen und Europa kann es sich nicht leisten, Ägypten an die Wand fahren zu lassen. Das wissen beide Seiten.

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Karim El-Gawhary
Auslandskorrespondent Ägypten
Karim El-Gawhary arbeitet seit über drei Jahrzehnten als Nahost-Korrespondent der taz mit Sitz in Kairo und bereist von dort regelmäßig die gesamte Arabische Welt. Daneben leitet er seit 2004 das ORF-Fernseh- und Radiostudio in Kairo. 2011 erhielt er den Concordia-Journalistenpreis für seine Berichterstattung über die Revolutionen in Tunesien und Ägypten, 2013 wurde er von den österreichischen Chefredakteuren zum Journalisten des Jahres gewählt. 2018 erhielt er den österreichischen Axel-Corti-Preis für Erwachensenenbildung: Er hat fünf Bücher beim Verlag Kremayr&Scheriau veröffentlicht. Alltag auf Arabisch (Wien 2008) Tagebuch der Arabischen Revolution (Wien 2011) Frauenpower auf Arabisch (Wien 2013) Auf der Flucht (Wien 2015) Repression und Rebellion (Wien 2020)
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6 Kommentare

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  • F
    friedrich

    Ägypten ist für sein Schicksal verantwortlich und

    nicht Deutschland!

    Die USA, die militärisch in Ägypten engagiert

    sind, tragen sicherlich eine Mitverantwortung.

    Das Recht auf freie Meinungsäußerung lassen wir

    uns von Ihnen nicht verbieten!

     

    In Syrien war auch keine äußere Einmischung

    erwünscht von Seiten syrische Oppositioneller

    in WDR oder SWR Rundfunk.

    Man fürchtete gewaltige Kollateralschäden.

    Es gab tatsächlich gute Gründe nicht

    einzumarschieren, die in der Achtung

    internationaler Rechte begründet sind, auf

    denen die Weltsicherheit beruht!

    Aber die Lage in Syrien ist nun so, wie sie ist!

     

    Wenn Ägypten reif ist, wird es die Gewalt

    zügeln können! Einen Bürgerkrieg

    im Mutterland der Kulturen darf der Westen nicht

    zulassen, weil dann wesentliche Vermächtnisse

    der Menschheit bedroht wären

    und der nahe Osten außer Kontrolle läuft.

    Ein unbedingtes

    Stillhalten zur Ermutigung staatlicher Massenmörder

    wie in Syrien darf nicht wieder passieren.

    Mursi darf auf keinen Fall einen Bürgerkrieg

    entfachen. Er muss im Zweifelsfall den Rücktritt

    erklären!

  • E
    eksom

    Mursi bekommt kein deutsches Geld geschenkt! Er muss

    dafür Zinsen zahlen und mit diesem Geld auch noch viele deutsche Waffen (Panzer, Gewehre, Minen, Kanonen...) kaufen! Damit wird a) weiterhin schön in Ägypten weiter gemordet b) die deutschen Wirtschaft angekurbelt!

    Und die Deutschen müssen/werden das dulden! WETTEN?

  • V
    vulkanstutm

    Fragwürdiges Argument:

    " Europa kann es sich nicht leisten, Ägypten an die Wand fahren zu lassen."

    Genau das war doch das Argument für die Stützung Mubaraks. Und nur wegen der Stabilität soll jetzt der nächste Diktator gestützt werden???

    Wir sollten nicht den Oberlehrer spielen, aber wenn es ums Geld geht auch die Opposition einbeziehen.

    An Griechenland und andere Staaten wurde erst Geld gezahlt, nachdem sich dort Regierung und Opposition geeinigt hatten. Genauso sollten die EU, der IWF und die USA vor Geldzahlungen die Einbeziehung der Opposition fordern.

  • K
    Karolus

    Leitet der Kommentator denn aus Deutschlands Beschäftigung mit der durch die Nationalsozialisten initiierten und durchgeführten Judenvernichtung dre Jahre 1933 - 1945 das Recht der deutschen Gesprächspartner Mursis ab, diesen auf seine vor der Präsidentenwahl höchst bemerkenswerten Einschätzung der Juden und ihr ihnen zu wünschendes Schicksal anzusprechen??

  • DM
    David Mirschlecht

    Nicht nur in "Mursis" Land, verstummen die Proteste gegen die Regierung nicht.

     

    Sie schreiben wortwörtlich, dass wir nicht Partei ergreifen sollen? Wie soll man eigentlich seine Werte und seine Meinung ausdrücken, wenn man nich Partei ergreift? Was ergreift man denn sonst? Den Handschlag eines Diktators?

     

    Sie haben nicht einmal beantwortet, warum Mursi eigentlich nach Deutschland kommt. Haben Sie so wenig Einsicht oder trauen Sie sich nicht, zu schreiben, dass ich der ägyptischen Regierung Geld geben soll?

     

    Ich fasse zusammen: Deutschland hat die Ehre "Unterstützung - also Geld - und "Expertise" - also Hilfe in der Aufrechterhaltung des sozialistischen Staatsapparates - weiterzugeben und als Ausgleich dafür dürfen wir den Mund halten. Es ist wirklich eine Ehre Deutscher zu sein und Demokratie zu unterstützen.

  • W
    Wüstenratte

    Mursi dieser Moslembruder aus einem Lande mit der Todesstrafe. Die Todesstrafe ist staatlich sanktionierter Mord. Muddi Murksel ist sich also nicht zu schade, sich mit einem potentiellen Schreibtischmörder zum Plausch übers Wetter zu treffen?? Armes Deutschland!