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Kommentar Münchner KunstfundDie pure Heuchelei

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Die bei Gurlitt sichergestellten Gemälde werden wohl nicht zurückgegeben werden. Schuld daran könnten jahrelange Versäumnisse der deutschen Justiz sein.

Ein Bild aus dem Münchner Kunstfund: Wilhelm Lachnits „Mann und Frau am Fenster“ Bild: dpa

R aubkunst, so sagt es schon der Name, ist etwas Gestohlenes. Der Eigentümer, so die logische Schlussfolgerung, hat ein Recht auf Rückgabe. Der Dieb wird, wenn sich seine Schuld beweisen lässt, bestraft. So viel zum allgemeinen Rechtsempfinden. So viel auch zu den Erwartungen der bestohlenen Holocaustopfer und ihrer Nachfahren sowie zahlreicher internationaler Beobachter im Fall der aufgetauchten Bilder von Cornelius Gurlitt.

Doch diese Erwartung wird nach allem, was zu erwarten ist, enttäuscht werden. Das hat einen einfachen Grund: Die Taten sind nach deutschem Recht verjährt. 30 Jahre beträgt diese längst abgelaufene Frist, übrigens eine deutsche Besonderheit, die in diversen anderen europäischen Staaten bei NS-Raubkunst nicht existiert.

Auch die Washingtoner Erklärung zu von den Nazis beschlagnahmten Kunstwerken hilft in diesem Fall nicht weiter. Es handelt sich zum einen um eine rechtlich nicht bindende Übereinkunft, und sie betrifft zudem öffentliche Sammlungen. Gurlitt aber ist Privatmann, und der hat erklärt, dass er seine Bilder behalten möchte. So wird Recht zu Unrecht und es entsteht der Eindruck, dass Deutschland zwar sehr würdige NS-Gedenkstätten errichtet, aber die Geldbörsen geschlossen hält, wenn es ans Zahlen geht.

Nun haben einige Juristen die Auffassung vertreten, dass die Verjährungsfristen im Fall Gurlitt nicht greifen und daher doch ein Anspruch auf Rückgabe bestehen könnte. Die Augsburger Staatsanwaltschaft hat sich dazu bisher nicht konkret geäußert. Die Bundesregierung verbreitet Nebelkerzen des guten Willens. Wie und wann ein Gericht in diesem Fall konkret entscheiden wird, ist nicht absehbar.

Deshalb sind die wohlfeilen Erklärungen der Bundesregierung zu dem Fall nichts weiter als Heuchelei. Deutschland hätte jahrzehntelang Zeit gehabt, die Verjährungsfristen zu verlängern oder ganz aufzuheben – so wie es im Fall von Mord unter ausdrücklichem Bezug auf NS-Gewaltverbrechen auch geschehen ist.

Paragrafen sind keine Naturerscheinung, die auf Bäumen wachsen. Sie werden von Menschen gemacht. Wenn noch irgendeine Möglichkeit besteht, das absehbare Unrecht im Fall von wohl 590 von den Nazis gestohlenen Kunstwerken zu korrigieren, dann sollte die kommende Bundesregierung genau dies tun.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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1 Kommentar

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  • A
    ama.dablam

    Verjährungsfristen sind in sicher unterschiedlichen Ausprägungen vielen Rechtssystemen immanent. Die Parallele zu Mord hinkt, denn hier handelt es sich um eine strafrechtliche Norm, während im Falle Gurlitt rein zivilrechtliche Herausgabeansprüche betroffen sind - eine Differenzierung nach den Umständen des Abhandenkommens wäre rechtlich im Zweifel unzulässig.

     

    Bei der Schuldrechtsreform 2002, bei der das Thema angestanden hätte, war übrigens Frau Däubler-Gemlin von der SPD Justizministerin. Das Thema hatte da offensichtlich schon keine Brisanz mehr.