Kommentar Mordserie: Realität schlägt Fantasie
Wie ist es möglich, dass bekannte Neonazis, die wegen schwerer Gewalttaten ins Visier der Polizei gerieten, untertauchten und jahrelang mitten in Deutschland lebten?
M öglicherweise steht eine besonders grausame Mordserie unmittelbar vor der Aufklärung. Sollten tatsächlich drei Rechtsextremisten die sogenannten Döner-Morde begangen und eine Polizistin in Heilbronn getötet haben, dann möchte man etwas jetzt nicht hören: wie sich die Ermittler gegenseitig bescheinigen, großartige Arbeit geleistet zu haben. Von einem Fahndungserfolg kann nämlich offenbar keine Rede sein. Im Gegenteil.
Kaum je haben Täter auf spektakulärere Weise auf sich aufmerksam gemacht als die drei Verdächtigten von Zwickau: ein abgefackeltes Wohnmobil, ein Doppelselbstmord, ein explodiertes Wohnhaus, eine Flucht - und eine großzügige Hinterlassenschaft von Waffen, die Gewalttaten zugeordnet werden konnten. Da blieb selbst dem verschlafensten Polizisten nichts anderes übrig, als aktiv zu werden. Hätten sich die drei ruhig verhalten: Ob sie dann bis ins Rentenalter unbehelligt geblieben wären?
Wie ist es möglich, dass bekannte Neonazis, die mehrfach wegen schwerer Gewalttaten ins Visier der Polizei gerieten, untertauchen und jahrelang mitten in Deutschland leben konnten? Verschwörungstheorien sind meistens falsch, aber im Zusammenhang mit Rechtsextremismus hat die Realität schon mehrfach jede Fantasie übertroffen.
ist Autorin der taz.
Der Versuch, die NPD verbieten zu lassen, scheiterte seinerzeit unter anderem daran, dass die Partei teilweise von Mitarbeitern des Verfassungsschutzes gesteuert wurde. Auch jetzt gilt es, die Rolle des Verfassungsschutzes genau zu prüfen - am besten durch einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss.
Interessant zu erfahren wäre auch, weshalb eigentlich im Zusammenhang mit toten Migranten stets so schnell die Rede war von möglichen Kontakten der Opfer zum kriminellen Milieu. Stehen Minderheiten hierzulande unter Generalverdacht, selbst wenn sie umgebracht werden?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen