Kommentar Mord an Armeegeneral: Weckruf für den Libanon
Ein politisches Attentat ist zunächst destabilisierend. Dennoch könnte von dem Anschlag auf al-Haji positive Signale ausgehen. Es gilt jetzt, sich schnell auf einen Präsidenten zu einigen.
E s gibt Situationen, in denen sich ein politisches Attentat positiv auswirken könnte. Und das nicht nur beim Tyrannenmord. Die Ermordung des libanesischen Armeegenerals François al-Hajj könnte ein solcher Fall sein. Sicher, jeder Anschlag wirkt in einem politisch polarisierten Land wie dem Libanon zunächst destabilisierend. Seit fast drei Wochen hat der Libanon nicht einmal einen Präsidenten. Achtmal wurde dessen Wahl verschoben. Denn die zerstrittenen Lager konnten sich nicht auf einen Kompromisskandidaten einigen. Die monatelange Konfrontation zwischen der von den USA unterstützten Regierung und dem von der Hisbollah angeführten Oppositionsbündnis hat ein gefährliches politisches Vakuum hinterlassen.
In all dem libanesischen Wirrwarr gilt die Armee, die sich bisher neutral verhalten hat, als die wichtigste Klammer, die das Land zusammenhält. Dass der jüngste politische Mord nun erstmals ausgerechnet einem Militär gegolten hat, könnte sich als Weckruf für die zerstrittenen Lager erweisen: Wenn sie sich nicht schnell auf einen Präsidenten einigen und eine Formel für eine politische Koexistenz finden, werden sie allesamt die Verantwortung dafür tragen, den Libanon in den politischen Abgrund gestürzt zu haben. Eine Erkenntnis, die zum Handeln motiviert. Und das ist die positive Nachricht.
Erstmals zeigt die Regierung übrigens nicht geschlossen und reflexartig mit dem Finger auf Damaskus, wo sie stets die Hintermänner der bisherigen Autobomben vermutet hatte. In diesem Fall sind die Mörder wahrscheinlich auch eher in den Reihen militanter islamistischer Splittergruppen zu finden, wie der von al-Qaida inspirierten Fatah al-Islam. Deren Bekämpfung hatte der jetzt ermordete General al-Hajj im Flüchtlingslager Nahr al-Bared im Sommer geleitet. Gruppen wie Fatah al-Islam wären auch die Ersten, die von einem Zusammenbruch des libanesischen Staates profitieren würden. Denn was gäbe es für die heiligen Krieger al-Qaidas Schöneres als ein staatenloses Operationsgebiet direkt an der Grenze Israels?
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