Kommentar Mohrenkopfstreit: Der Mainstream ist schon weiter
Der grüne Realo Boris Palmer muss sich ausgerechnet von Kristina Schröder links überholen lassen. Die nämlich umgeht diskriminierende Bezeichnungen wie „Neger“.
M an muss kein Rassist sein, um heute noch überholte Begriffe wie „Mohrenkopf“ oder „Negerküsse“ zu verwenden. Aber etwas gedankenlos und naiv ist es schon, solche überkommenen Bezeichnungen völlig unreflektiert im Mund zu führen. Wer das macht, ignoriert, dass mit ihnen eine sehr lange und schmerzhafte Geschichte von Kolonialismus und Rassismus verbunden ist.
Bundesfamilienministerin Kristina Schröder hat das erkannt und jüngst zugegeben, diskriminierende Bezeichnungen wie „Neger“ zu umschiffen, wenn sie ihr heute noch in Kinderbüchern begegnen. Auch die Industrie trägt der veränderten Sensibilität längst Rechnung: „Schokoküsse“ steht heute meist ganz neutral auf den Packungen. Selbst der Sarotti-Mohr heißt nicht mehr so, und in den neuesten Ausgaben von Pippi Langstrumpf wird ihr Vater nur noch als „Südsee-König“ bezeichnet.
Umso erstaunlicher, wie schnell Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer bereit ist, hinter einen mühsam erkämpften gesellschaftlichen Fortschritt zurückzufallen. Schon einmal hat er sich den Ärger von Schwulen- und Lebsenverbänden eingehandelt, als er in einem Positionspapier seine Partei ermunterte, auf Minderheitenforderungen wie der Gleichstellung homosexueller Paare im Adoptionsrecht zu verzichten. Nun zeigt er erneut, wie weit er zu gehen bereit ist, emanzipatorische Haltungen aufzugeben, um sich an den vermeintlichen gesellschaftlichen Mainstream anzupassen.
ist Redakteur für Migration und Integration im Inlandsressort der taz.
Dumm nur, dass der gesellschaftliche Mainstream längst weiter ist. So muss sich der grüne Realo Palmer nun ausgerechnet von Kristina Schröder links überholen lassen. Das schwarz-grüne Rollenverhältnis hatte man sich irgendwie anders vorgestellt.
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