Kommentar Missbrauchsbeauftragter: An der Seite der Betroffenen
Schüler werden von einem Pater immer wieder an den Po gefasst. Eine Welle der Solidarität beginnt – eine, die den Grenzverletzer unterstützt.
Z u beneiden ist Johannes-Wilhelm Rörig nicht. Der Unabhängige Beauftragte gegen sexuellen Kindesmissbrauch ist fleißig wie kaum ein anderer Beamter. Er hat Präventions-Vereinbarungen mit vielen deutschen Spitzenverbänden zustande gebracht.
Rörig wird nicht müde, Bund und Länder zu entschlossenem Handeln zu drängen. Jetzt will er eine neue Initiative starten, die die Gesellschaft zu aufmerksamen Helfern machen will. Rörigs Gegner heißen Larmoyanz, Unzuständigkeit und Ignoranz.
Seine neue Kampagne, die im Januar mit einem Spot des Regisseurs Leander Haußmann anlaufen wird, ist dafür das beste Beispiel: Ja, es ist richtig, dass Rörig Eltern aufrütteln will. Aber was wirklich passiert, wenn Eltern den Verdacht hegen, dass ein Lehrer, Mitschüler oder Trainer ihrem Kind sexuelle Gewalt antut, steht auf einem anderen Blatt.
ist Bildungsredakteur der taz.
Sie sind dann oftmals allein – so allein wie die Betroffenen, die spüren, dass sie im Moment der Veröffentlichung der Tat die ganze Wucht der institutionellen Abwehr abbekommen. Das kann man dieser Tage am Fall einer Bonner Schule studieren: Als Schüler dort beklagten, dass ihnen ein Pater immer wieder an den Po fasst, begann eine Welle der Solidarität – aber eine, die den Grenzverletzer unterstützte.
Wie könnte Rörig helfen? Er muss sich entschieden an die Seite der Betroffenen stellen – und zwar konkret im Einzelfall und nicht nur abstrakt mit einer Öffentlichkeitskampagne. Er muss zeigen: Ich stehe zu jedem einzelnen Betroffenen, ich bin euer Ombudsmann!
Manchmal reicht dazu ein neugieriger Anruf, manchmal ist aber auch laute Solidarität mit den sogenannten Netzbeschmutzern notwendig. Und der Beauftragte braucht mehr institutionellen Spielraum. Dazu gehört auch ein Recht auf Akteneinsicht für Rörig. Erst dann wäre eine Kampagne sinnvoll – und glaubwürdig.
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