Kommentar Mindestlöhne: Rückkehr der "gelben Gewerkschaften"
Es ist ein Irrweg, auf branchenbezogene Mindestlöhne zu setzen. Um die Farce der vergangenen Monate nicht zu wiederholen, muss ein gesetzlicher Mindestlohn her.
A ls "gelbe Gewerkschaften" wurden in Deutschland und Frankreich im vergangenen Jahrhundert jene Arbeitervereinigungen bezeichnet, die im Auftrag der Fabrikbesitzer handelten, teils sogar von ihnen bezahlt wurden. So sollten die Kampfkraft der "roten" Gewerkschaften geschwächt und Lohnsteigerungen verhindert werden.
Der Begriff von den "gelben Gewerkschaften" entstammt noch den alten Zeiten des Klassenkampfs und ist in der Ära des sozialstaatlichen Ausgleichs in Vergessenheit geraten. Zu Unrecht, wie sich mittlerweile zeigt. Denn ein vergleichbares Szenario scheint sich nun bei den privaten Briefdiensten abzuspielen. Dabei geht es vor allem darum, die Einführung von branchenbezogenen Mindestlöhnen zu verhindern.
Die neue Gewerkschaft Neue Brief- und Zustelldienste (GNBZ) wurde im Oktober 2007 gegründet, als die privaten Postkonkurrenten gerade gegen den Branchenmindestlohn Sturm liefen. Im Dezember schlossen die GNBZ und der Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste dann einen Tarifvertrag ab, der niedrigere als die für allgemein verbindlich erklärten Löhne der Branche vorsieht. Im März verwarf das Berliner Verwaltungsgericht den verbindlichen Branchenlohn und bezog sich auf den GNBZ-Tarifvertrag. Kurz darauf gab der Insolvenzverwalter des Postkonkurrenten PIN bekannt, dass das Unternehmen die GNBZ-Gründung mit 133.000 Euro unterstützt hatte.
Moralisch ist dem GNBZ-Tarifvertrag damit jede Grundlage entzogen - das muss jenen bewusst sein, die an ihm festhalten wollen. Doch dass eine einzige ominöse Gewerkschaft ausreicht, die Einführung solcher Mindestlöhne zu blockieren oder zu verzögern, beweist auch: Es ist ein Irrweg, statt auf gesetzliche auf branchenbezogene Mindestlöhne zu setzen - auch wenn sich bis Ende März doch noch die eine oder andere Branche dazu entschließt, einen Antrag auf Aufnahme in das entsprechende Entsendegesetz zu stellen.
Um Wiederholungen dieser Mindestlohnfarce zu vermeiden, sollte die Bundesregierung endlich die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns auf den Weg bringen, von dem die Beschäftigten menschenwürdig leben können.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!