Kommentar Militärjustiz: Entschuldung der Soldaten
Die Justiz und das öffentliche moralische Verständnis dessen, was die Bundeswehr in Afghanistan macht, will die Bundeswehrlobby dem Kriegszustand anpassen.
W as passiert, wenn ein Soldat im Einsatz einen tödlichen Fehler macht, ist eine Frage, auf die es in Deutschland lange keine Antwort gegeben hat. Die Ereignisse im nordafghanischen Kundus vor einer Woche und deren Bearbeitung durch Bundeswehr und Politik zeigen, wie wenig die Zuständigen auf die Möglichkeit eines solchen Fehlers vorbereitet sind.
Es regierte zunächst der Reflex: Verteidigungsminister und Kanzlerin stellten sich hinter den Kommandeur in Kundus - ausdrücklich unabhängig davon, was das Ergebnis des angeforderten Bombardements war. Bislang weist alles darauf hin, dass bei dem Bombardement zweier Tanklastzüge Zivilisten getötet wurden, die man flugs zu Taliban-Sympathisanten und damit zu Quasi-Taliban erklärt hat.
Der Bundeswehrverband verlangt nun nachdrücklicher als zuvor, dass es eine eigene Militärgerichtsbarkeit gebe. Denn es könne nicht sein, dass einem Soldaten wegen ziviler Opfer in Afghanistan der Prozess gemacht werde. Die Kanzlerin müsse endlich sagen, dass in Kundus Krieg herrsche, und die Entscheidungsgewalt an sich ziehen.
Ulrike Winkelmann ist Redakteurin im Parlamentsbüro der taz.
Hieran zeigt sich, wie doppelbödig die allenthalben erhobene Forderung ist, vom "Krieg" in Afghanistan zu sprechen statt etwa vom "Kampfeinsatz". Denn in der Summe verlangt die Bundeswehrlobby, dass die Politik die Justiz und das öffentliche moralische Verständnis dessen, was die Bundeswehr in Afghanistan macht, dem Kriegszustand anzupassen habe.
Was eine solche Militärjustiz aber hervorbringt, zeigen genau die vom Bundeswehrverband zitierten internationalen Vorbilder. Die Handlungen der Soldaten werden dann eben nicht mehr daran gemessen, ob sie die Zivilbevölkerung ausreichend geschützt haben. Sondern ob der bedauerliche Kollateralschaden nicht etwas geringer hätte ausfallen können.
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