Kommentar Microsoft: Digitale Glatzen
Microsoft entlässt 18.000 Mitarbeiter – so viele wie nie zuvor. Der Konzern hoppelte jedem Trend hinterher, nun steckt er in der Midlife-Crisis.
E s gibt diese Tech-Giganten, die wirken unbesiegbar. Google ist das heute, Facebook, Apple, Amazon. Ein Konzern ist aus dieser Reihe längst rausgefallen: Microsoft.
In den Neunziger Jahren schien es, als könne niemand an dem Software-Konzern vorbei: Wer in den Neunzigern Betriebssystem meinte, sagte Windows. Wer Textverarbeitung meinte, Word. Wettbewerbshüter waren besorgt, und Bill Gates war der reichste Mann der Welt.
Heute wirkt der Konzern wie ein dicklich gewordener Buchhalter, der gerne von seinen erfolgreichen Jahren als Quarterback in der High School erzählt. Vierzig Jahre wird Microsoft im kommenden Jahr alt. Ein Alter, in dem die meisten Menschen ihr Ding gefunden haben. In dem man schnell peinlich wirkt, wen man verkrampft jedem Trend nachhoppelt.
Was das Ding war
Microsofts Ding waren Betriebssysteme und Anwenderprogramme für PCs. Je unwichtiger die auf dem Markt werden, desto schlechter für Microsoft – das merkte der Konzern, und begann, jedem neuen Trend hinterherzuhechten: Machte einen mp3-Player, entwickelte ein Betriebssystem für Smartphones und Tablets, Software und Hardware, probierte, was immer die anderen machten.
Manches davon ganz ordentlich, aber nichts hob ab. Weil Microsoft meist erst dann damit rauskam, wenn die Konkurrenz ihre Marktanteile längst unter sich ausgekämpft hatten. Unternehmen gleichen in ihren Lebenszyklen Menschen, sagt der US-Forscher Geoffrey West. 15 Jahre Wachstum, dann Stagnation – und irgendwann der Tod.
Und, dass etablierte Firmen irgendwann intolerant gegenüber neuen Ideen und Kritik würden; wenn es nur noch darum geht, sich auf das Kerngeschäft zu beschränken: „Dann kann es nicht mehr cool sein.“ Richtig cool war Microsoft noch nie, stand immer im Schatten von Apple.
Und doch liest sich die Theorie von West fast wie eine Kurzhistorie über Microsoft. Der Konzern steckt in einer Midlife Crisis. Ausgebrannt wirkt er - was früher war, zündet nicht mehr, und weil die eigenen Ideen für das morgen fehlen, schielt man nur noch nach Links und Rechts.
Cloud first, mobile first ist die Devise, die Konzernchef Satya Nadella Anfang des Jahres ausgegeben hatte, als er den Job vom polternden Steve Balmer übernahm. Kreativ ist das nicht, gerade dass sich alles und jeder auf den Mobilmarkt ausrichten muss, um nicht unterzugehen, ist im Silicon Valley inzwischen eine absolute Binsenweisheit.
Flüchtiger Erfolg
Wie es dazu passen soll, dass man einen Großteil der 18.000 Stellen beim zugekauften Mobilfunkkonzern Nokia streicht, weiss nur Microsoft allein. Vielleicht beweist Nadella ein glücklicheres Händchen als sein Vorgänger. Vielleicht gelingt es ihm, mit der größten Entlassungswelle in der Geschichte des Konzerns, Microsoft gesundzuschrumpfen. Genauso, wie es vielleicht der Ex-Googlerin Marissa Mayer gelingt, den ebenfalls etwas abgehalfterten Yahoo-Konzern wieder hochzupolieren.
Sehr wahrscheinlich ist das nicht. Worin am Ende auch etwas beruhigendes liegt: So gigantisch die Tech-Firmen heute auch sein mögen, so unüberwindbar ihre Quasi-Monopole heute auch aussehen, so flüchtig ist doch ihr Erfolg in einer Branche, in der sich ständig alles verdoppelt und verkleinert, kopiert und beschleunigt.
Heute kann man beobachten, wie Microsoft und Yahoo und MySpace verzweifelt versuchen, ihre digitalen Glatzen zu überkämmenn und in Würde zu altern. Übermorgen werden Google, Facebook und Amazon zeigen müssen, wie gut sie vorbereitet sind, auf das Älterwerden.
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