Kommentar Merkels Lateinamerikareise: Spur der Zerstörung
Merkels Kurs gegenüber Lateinamerika entspricht einer EU-Politik, die einseitig auf Konzerninteressen ausgerichtet ist. "Verlegenheitsthemen" wie Armut haben die Kanzlerin nicht interessiert.
GERHARD DILGER ist Südamerika-Korrespondent der taz.
Auf ihrer ersten Lateinamerikareise hat Angela Merkel durchaus Führungsqualitäten an den Tag gelegt. Allerdings anders, als es wünschenswert wäre: Die Bundeskanzlerin hat ihr Bestes gegeben, um den Subkontinent zu spalten. So wird nichts aus der "strategischen" Partnerschaft.
Zum einen hat Merkel ohne Ausnahme Länder besucht, die eine im Grundsatz orthodox liberale Wirtschafts- und Freihandelspolitik befolgen. In Brasilien zurrte sie den Handel mit Agrosprit und die Atomzusammenarbeit fest. In Peru leitete sie die Abkehr von der EU-Linie ein, mit den Andenländern Bolivien, Peru, Ecuador und Kolumbien gemeinsam zu verhandeln. Und in Kolumbien hofierte sie den Hardliner Álvaro Uribe.
Auf der letzten Station Mexiko stehen wieder ganz die Wirtschaftsinteressen im Vordergrund. Angeblich "populistisch" regierte Länder wie Argentinien oder Bolivien ließ sie links liegen, und Venezuelas Ölsozialisten Chávez provozierte sie zu Verbalattacken. Dieser Kurs entspricht durchaus einer EU-Politik, die einseitig auf Konzerninteressen ausgerichtet ist. Dabei folgt man der Linie der USA: Ist eine Marktöffnung nicht en bloc zu erzwingen, dann wird separat mit willigen Regierungen verhandelt - so wie Merkel nun mit Peru und Kolumbien. Armut oder Ungleichheit, die "Verlegenheitsthemen" (FAZ) der Gipfelagenda, interessieren Merkel nicht.
Besonders skandalös ist der Schulterschluss mit Washington in Kolumbien: Trotz engster Beziehungen des Uribe-Umfeldes zu den rechtsextremen Paramilitärs und der Drogenmafia verspricht ihm Merkel weitere Unterstützung bei seiner gescheiterten "Antidrogen"-Politik und seinem Krieg gegen die Guerilla.
Für das deutsche Publikum wird all dies mit wohlfeilen Floskeln garniert. Wer wäre nicht für eine "nachhaltige" Produktion von Agrosprit oder zivile Lösungsansätze für den Konflikt in Kolumbien? Tatsächlich trägt die Kanzlerin zur Ausweitung umweltzerstörerischer Monokulturen und zu einer Verlängerung des Kriegs in der Andenregion bei. GERHARD DILGER
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