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Kommentar Merkels FlüchtlingspolitikDie Simulation von Politik

Kommentar von Klaus Hillenbrand

In den kommenden Wahlen könnte die Union Stimmen verlieren. Deshalb verspricht Merkel der Klientel ihrer Partei nun realitätsfremde Dinge.

Eine „Merkel-Krise“ besteht zweifellos. Foto: dpa

A ngela Merkel steht unter Zugzwang. Sie selbst hat eine Reduzierung der Flüchtlingszahl versprochen. Bei den anstehenden Wahlen in drei Bundesländern drohen der CDU deutliche Einbußen. In der Union rumort es von Woche zu Woche mehr.

Egal ob man die Auffassung nun teilt, dass die Migranten eine Flüchtlingskrise ausgelöst haben: Eine Merkel-Krise ist zweifellos vorhanden. Da helfen ihr auch die neuen Sympathien von linker bis liberaler Seite wenig, denn diese Wähler werden ihr Kreuz deshalb gewiss nicht bei der CDU machen.

Weil die Kanzlerin aber mit ihren Bemühungen auf der Stelle tritt, mithilfe der Türkei und der EU eine Reduktion der Flüchtlingszahlen zu erreichen, sie zugleich aber CSU-„Obergrenzen“ und geschlossene Schlagbäume im Schengen-Raum ablehnt, muss sie auf einem anderen Feld Signale setzen. Wenn schon die Zahl der Einreisen aktuell nicht gedrückt werden kann, dann sollen es eben die Rückreisen werden.

Deshalb verspricht Angela Merkel Dinge, die sich für die Klientel der Union gut anhören, auch wenn sie in Wahrheit realitätsfremd sind. Denn die von ihr erwartete Rückkehr Zehntausender Flüchtlinge nach Syrien in einigen Jahren ist derzeit nicht mehr als ein frommer Wunsch. Juristisch steht die Idee auf schwachen Füßen.

Hinzu kommt, dass die Geflüchteten nicht nur vor dem Krieg geflohen sind. Sie haben in der Regel auch ihr Hab und Gut verkaufen müssen, wenn sie überhaupt noch eine Bleibe hatten. Die Erfahrung lehrt, dass diese Menschen nicht mehr in ihre alte Heimat zurückkehren.

Diese Versprechungen sind realitätsfremd. Und sie sind doppelt vergiftet

Nein, die neue Angela Merkel ist deshalb nicht wieder die alte geworden. Aber diese Art Versprechungen, die als Drohungen gegenüber den Flüchtlingen daherkommen, sind gleich doppelt vergiftet. Denn zum einen suggerieren sie, dass es die Deutschen mit ihren Integrationsbemühungen nicht übertreiben müssen, wenn ein Großteil der Geflüchteten ohnehin schon bald wieder weg ist. Zum anderen ersetzen sie politisches Handeln durch Behaupten.

Diese Simulation des Politischen mag ein paar Wochen lang sogar funktionieren. Aber auf längere Sicht schafft sich die Union damit die Basis für eine weitere Entfremdung – und füttert diejenigen an, die „etablierte“ Politiker als notorische Lügner verunglimpfen, um ihre völkisch-rassistischen Vorstellungen durchzusetzen.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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12 Kommentare

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  • "Bei den anstehenden Wahlen in drei Bundesländern drohen der CDU deutliche Einbußen."

     

    Schon wieder so ein Artikel, dessen Autor sich nicht die Mühe macht, mal kurz in die Umfragen reinzugucken. Das wird dann solange behauptet, bis es sich tatsächlich erfüllt.

    Zum jetzigen Zeitpunkt hält die Union ungefähr das Ergebnis in Sachsen-Anhalt ( http://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/sachsen-anhalt.htm ), bekommt in Rheinland-Pfalz sogar Zuwächse ( http://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/rheinland-pfalz.htm ) und verliert nur stark in Baden-Württemberg ( http://www.wahlrecht.de/umfragen/landtage/baden-wuerttemberg.htm ).

     

    Und das liegt nicht an Merkel, sondern daran, dass die CDU dort den Ministerpräsidenten einfach nicht rechts überholen kann ohne gleich den Schußwaffeneinsatz gegen Flüchtlingskinder zu fordern.

  • Irgendwann geht jede Ära zu Ende und auch die Ära Merkel neigt sich dem Ende zu. Als sie sich einmal aus der Deckung wagte und nicht abgewartet hat, hat sie einen Fehler gemacht und dessen Konsequenzen lassen sich nicht mehr schön reden.

     

    Es ist so dringend eine Lösung von Nöten, ebenso wie echte Hilfe und Integration für Flüchtlinge, aber die letzten Wochen haben deutlich gezeigt, dass die Bundesregierung dazu nicht in der Lage ist.

     

    Da hilft auch keine Simulation mehr.

  • Wenn das, was hier im Staate abgeht noch anstädige, realistische Potitik sein soll, dann freß ich einen Besen. Den Quatsch mit der Merkel lese ich auch nicht mehr. Ist mir zu dumm.

    Hans-Ulrich Grefe

  • Wann hat Frau Merkel etwas anderes getan als Politik zu simulieren? Große Gesten zum machen ("Israels Existenz ein Bestandteil deutscher Staatsraison"). Wann hat sie etwas anderes gemacht als die Politik auszuverkaufen, den Spielraum der Politik auszuliefern (an Investoren)? Das soziale Kapital in eine Resterampe zu verwandeln? Wann?

     

    Und ein Großteil der Medien(-vertreterInnen) hat mitgemacht und die Auslegungen dieser wabrigen Behauptungen Frau Merkels zum Gegenstand der hermeneutischer Kunst des Merkelverstehens gemacht- wodurch diese Frau nur noch auf ein hieratisches Podest gehoben wurde.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Hinzu kommt, dass die Geflüchteten nicht nur vor dem Krieg geflohen sind. Sie haben in der Regel auch ihr Hab und Gut verkaufen müssen, wenn sie überhaupt noch eine Bleibe hatten. Die Erfahrung lehrt, dass diese Menschen nicht mehr in ihre alte Heimat zurückkehren."

     

    Der Vergleich (den die Bundeskanzlerin angestellt hatte) mit dem Bürgerkrieg in Jugoslawien ist schon deswegen völlig falsch, weil die gegenwärtigen Herkunftsländer eine völlig andere demographische Entwicklung haben:

    https://www.google.de/publicdata/explore?ds=d5bncppjof8f9_&met_y=sp_pop_totl&idim=country:BIH:HRV:SRB&hl=de&dl=de#!ctype=l&strail=false&bcs=d&nselm=h&met_y=sp_pop_totl&scale_y=lin&ind_y=false&rdim=region&idim=country:BIH:HRV:SRB:KSV:SYR:IRQ:AFG&ifdim=region&hl=de&dl=de&ind=false

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Die syrische Bevölkerung hat sich in den letzten 20 Jahren also nahezu verdoppelt. Ursache für die Flucht ist dann nicht nur der Krieg, sondern die Perspektivlosigkeit von vielen Jugendlichen. Gleiches gilt für nahezu ganz Afrika. Beseitigung von Fluchtursachen ohne ehrliche Analyse der Fluchtursachen - was für ein Schwachsinn.

       

      Merkel muss weg, weil sie nicht begreifen kann, dass permanentes Wachstum nicht die Lösung, sondern die Ursache der Probleme ist. Für 7 Milliarden Menschen mit akzeptabelem Wohlstandsniveau ist die Welt einfach zu klein.

       

      Da man diese Fluchtursache nicht beseitigen kann, muss man sich mit dem zwangsläufigen Verteilungskampf auseinandersetzen.

    • @10236 (Profil gelöscht):

      Es gibt noch weitere Gründe, weshalb der Jugoslawien-Vergleich nicht passt. Die Welt hat diese Woche eine Erkenntnis recycled, die in den

      Nuller-Jahren noch bekannter war. Kroaten sind in jeder Statistik Schlusslicht, was die Wertschätzung

      unserer Sozialsysteme betrifft. Dagegen belegen Syrer, Libanesen und Iraker hier die Spitzenplätze, und sind somit diejenigen, die

      Karin Goring-Eckard meinte, als sie sagte:".. wir auch Menschen hier brauchen, die in unseren Sozialsystemen zu Hause sind und sich zu Hause fühlen." http://www.welt.de/wirtschaft/article151637452/Die-Wahrheit-ueber-das-Fluechtlings-Jobwunder.html

  • Zunächst ist einmal anzumerken, dass die meisten Syrer wieder nach Hause wollen, wenn der Krieg zuende ist... Sprecht einfach mal mit denen, statt in der Glaskugel zu lesen. Übrigens gingen auch die meisten Flüchtlinge der Welle in den 90iger wieder in ihre Heimat zurück; bzw. sie wurden ausgewiesen oder abgeschoben. Die Wenigsten sind geblieben.

    Desweiteren ist anzumerken, dass es nicht Merkels Schuld ist, wenn die CDU in BaWü verliert. Das ist am Umfrage-Höhenflug der Grünen zu sehen. Wir Badner und Schwaben mögen in der Mehrheit nicht die lautstarken Stammtischsprüche von Seehofer und seinen Raufkumpanen. Der Schaden für die CDU in BaWü ist, dass die Seehofersche Rhetorik die AfD beflügelt, während die politische Mitte mit wehenden Fahnen zum grünen Wählerlager überwechselt......

    • @robby:

      Wir im Südwesten gönnen jedem, auch wenns noch so ein "böserböser" Wirtschaftsflüchtling ist, ein Dach über dem Kopf und einen Teller Suppe.

      Erst wenn sich die CDU in diesem Sinne geschlossen hinter Merkel vereint, erst dann hat die CDU BaWü wieder die Chance mehr Zustimmung in der Wählerschaft zu gewinnen.

      • @robby:

        "Wir im Südwesten gönnen jedem, auch wenns noch so ein "böserböser" Wirtschaftsflüchtling ist, ein Dach über dem Kopf und einen Teller Suppe."

         

        Leider ist die Stimmung in den letzten Wochen gekippt. Der Satz gilt immer weniger. Und so lange die "seriöse" CDU hauptsächlich darüber spricht, wie man die Menschen möglichst wieder los wird, statt zu überlegen, wie man dafür sorgen kann, dass sie möglichst bald ein normales Leben in D führen können, wird das auch nicht besser werden. Die Eingliederung so vieler neuer Bürger erfordert die Lösung vieler, vieler Probleme vor Ort und die Spitzen unseres Landes sprechen über Albernheiten...

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Nein.. ich halte die Stimmung nicht für gekippt. Lediglich die Stammtisch-Proleten, die Bierkasten-Politiker und die BILD-Bildungsbürger sind lauter geworden. Die große Masse tut sich nur die Diskussion mit ihnen nicht an. Ausschlagebend wird sein, inwieweit diese zur Wahl gehen. Im Rest der Analyse geb ich Ihnen recht.

          • @robby:

            Warum erlebe ich dann, dass auch Menschen, die nicht zu den von Ihnen beschriebenen Gruppen gehören, "umkippen"?

             

            Die völlige Unfähigkeit der Bundesregierung, sich um die Probleme vor Ort zu kümmern und das salonfähig machen von rechten "Lösungen" durch die gleiche Regierung, sind zusammen genommen eine Katastrophe.

             

            Neustes Beispiel. Frau Nahles droht, Flüchtlingen Hilfen zu streichen, wenn sie keine Sprachkurse besuchen, obwohl die Regierung nicht mal annähernd in der Lage ist, genügend Kurse anzubieten. Da gäbe es etwas konkretes zu tun. Aber ordentlich Arbeit sichert halt keine Schlagzeilen.