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Kommentar Merkel in der GeneraldebatteBloß nicht konkret werden

Johanna Roth
Kommentar von Johanna Roth

Merkel hat noch einmal die Chance, die Enttäuschten wieder einzufangen. Mit holprigen Rundum-Reden wird sie das aber nicht schaffen.

In Merkels Reden ist es oft schwer, etwas Greifbares zu finden Foto: dpa

A ngela Merkel ist nicht gerade berühmt dafür, sich klar auszudrücken. Sie ist die Königin des Viel-Redens-und-nichts-Sagens. Ihre Rede in der Generaldebatte zum Haushalt aber war selbst für ihre Verhältnisse merkwürdig unentschlossen. Merkel blickte vor allem zurück („Den Menschen in Deutschland ging es noch nie so gut“), lobte artig ihr Kabinett und blühte merklich auf, als es um Außen- und Sicherheitspolitik ging. Nach vorne aber sah sie auch diesmal: ungern.

Dabei hatte die Kanzlerin sich extra ein besonderes Thema ausgesucht: Digitalisierung. Damit will sie offenbar einen ähnlich inhaltsleeren Wahlkampf wie 2013 verhindern. Eigentlich eine kluge Wahl – ein einigermaßen harmloses Querschnittsthema. Man kann es so aufziehen, dass es wirklich jeden unmittelbar betrifft – Akademiker und Bildungsferne, Städter und Landbewohner, Autofahrer und Bahnreisende. Die Wirtschaft wird es lieben, die Jugend sowieso.

Es ist weniger heikel als harte Sozialthemen wie die Rente und riecht obendrein nach Fortschritt. Was genau will die Kanzlerin nun aber damit anfangen? Strengeres Vorgehen gegen Hasskommentare im Netz war die einzige einigermaßen greifbare Idee – aber das ist ja längst in Arbeit.

Bei Anne Will sagte Merkel neulich, sie habe darüber nachgedacht, ob sie dem Land noch etwas Neues geben könne. Die Generaldebatte wäre nun der passende Anlass gewesen, zu zeigen, was genau ihr denn da vorschwebt. Aber wenn sie der Demokratie in den nächsten Jahren eher helfen als schaden will, muss sie endlich Visionen haben, von denen sie ihre Wähler zu überzeugen versucht.

Mit holprigen Rundum-Reden wird Merkel nicht nur genauso wenig erreichen wie in den letzten Legislaturen. Sie hat nun auch noch einmal die Chance, die Enttäuschten wieder einzufangen. Mit gefälligem Gerede über digitalen Fortschritt und Phrasen wie „Globalisierung menschlich gestalten“ wird sie sie verschenken.

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Johanna Roth
taz-Autorin
ist freie Korrespondentin in den USA und war bis Anfang 2020 taz-Redakteurin im Ressort Meinung+Diskussion. Davor: Deutsche Journalistenschule, Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bundestag, Literatur- und Politikstudium in Bamberg, Paris und Berlin, längerer Aufenthalt in Istanbul.
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5 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Merkel hat noch einmal die Chance, die Enttäuschten wieder einzufangen. -????

     

    Wann hat Sie das je getan?

  • "Digitalisierung ... Eigentlich eine kluge Wahl – ein einigermaßen harmloses Querschnittsthema".

    Das ist Teil des Problems - sich hinter harmlosen Themen verstecken, die noch nicht mal jeder versteht - was interessiert das die Leute? Themen wie die Digitalisierung, die macht man und redet nicht viel davon. Man kann doch nicht im Ernst bei einem Haus das lichterloh brennt, sich um die Bügelwäsche kümmern.

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Gerade habe ich eine Zusammenfassung der heutigen Bundestagsdebatte angeschaut. Ohne Ton.

    Da stehen Leute, wie Merkel, Kauder, Hasselfeldt und reden mit angestrengtem Gesichtsausdruck und mit heftigen Arm- und Handgesten (im Sekundentakt) und loben alles, was sie getan haben.

    Wenn man alles gut gemacht hat, könnte man doch bei dieser überwältigenden Bundestagsmehrheit mit entspanntem Gesichtsausdruck und ohne ständigem und sehr aggressivem Gestikulieren mit dem Unterarm zurechtkommen, oder?

     

    Soll damit eine Drohung an das Fernseh-Volk signalisiert werden oder soll dem bißchen Opposition gedroht werden, weiter Opposition zu sein?

    Was sagt der Psychologe?

  • Es ist eben verdammt schwierig, etwas Konkretes zu sagen, wenn man immer noch den Anspruch hat, enorm humanitär auszusehen, andererseits aber zu demonstrieren, mit welch harter Hand man den Flüchtlingsstrom nach Europa gestoppt hat.

     

    Merkel versucht geradezu verzweifelt, dieses Doppelspiel auf die Spitze zu treiben: Oft genug kann man aus ihrem Munde Stellungnahmen hören, die ihrem Kurs im Herbst des Vorjahres entsprechen. Damit möchte sie wohl alle Bürger hinter sich scharen, die weiterhin eine positive Haltung zur Flüchtlingsaufnahme haben. Das funktioniert natürlich nur, wenn diese Wähler konsequent nicht zur Kenntnis nehmen, welche Realpolitik Merkel seit Beginn dieses Jahres betreibt.

     

    Neben den Verschärfungen im Asylrecht hat vor allem der Deal mit der Türkei sowie etliche Vereinbarungen mit afrikanischen Staaten die meisten Flüchtlinge auf ihrer Reise nach Europa rigoros gestoppt. Dass diese Abkommen sogar den Tod etlicher Hilfesuchender einschließen, ist bisher seitens der Kanzlerin in keiner Weise kritisiert worden (genaugenommen hat sie derartiges bisher überhaupt nicht erwähnt). Mit alledem versucht Merkel natürlich, Stimmen von bisherigen AfD-Wählern zu gewinnen.

     

    Man darf sicherlich gespannt sein, ob dieser enorme inhaltliche Spagat von Erfolg gekrönt ist. Eigentlich müsste sich angesichts ihrer Realpolitik jeder Bürger, der Flüchtlingen wohlgesonnen ist, empört von ihr abwenden. Und ob sie mit ihren Winkelzügen wirklich das Vertrauen jetziger AfD-Sympathisanten (zurück-)gewinnen kann, wird auch erst die Zukunft zeigen.

     

    Sicher scheint nur eins: Wir alle dürfen uns noch auf den Einsatz vieler Nebelwerfer sowie einer Menge Geschwurbel einstellen.

     

    Mer

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Nichts Neues? Das ist mir zu verharmlosend.

    Den Satz muss man sich auf der Zunge zergehen lassen und im Kontext der letzten Monate sehen:

     

    "Heute können Fakeseiten, Bots, Trolle, Meinungsbildung verfälschen. Um Menschen zu erreichen, um Menschen zu begeistern, müssen wir mit diesen Phänomen umgehen und, wo notwendig, sie auch regeln."

     

    Nun, man kann zu Corbyn, Front National, Brexit, Trump etc. stehen wie man möchte. Der wahre Grund für all das nicht neu entdeckte Freude am Rassismus und rüpigem Umgang, sondern eine große Unzufriedenheit der breiten Bevölkerungssschichten. Statt darüber nachzudenken, hat man anscheinend die Parole ausgegeben "kill the messenger".

     

    Merkels Lamento über das Scheitern von TPP läßt mich zwischen zwei Vermutungen schwanken: entweder machen unsere Politiker wirklich ihren Job zwar im Namen des Volkes, allerdings für seinen kleinen Anteil, oder Frau Bundeskanzlerin hat nicht viel verstanden.