Kommentar Merkel in Argentinien: Ein bisschen Wahlhilfe
Ein Besuch der Kanzlerin soll Argentiniens Wirtschaft Aufschwung bringen. Findet sie auch Verbündete beim Klimaschutz? Fehlanzeige.
H ändeschütteln und in die Kameras lächeln. Das ist beim 24-Stunden-Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel beim argentinischen Präsidenten Mauricio Macri das Wichtigste. Mit Merkels Reise nach Buenos Aires, hieß es, würden die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur – mit Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und Venezuela – weiter vorangetrieben werden.
Zumal gerade Argentinien auf den Pfad der neoliberalen Tugenden zurückgefunden hat. Noch vor Jahresende könnte das Abkommen unterzeichnet werden.
Seit 1995 verhandeln die beiden Wirtschaftsblöcke mal mehr, mal weniger. Von Beginn an hat Frankreich die Öffnung der EU für Agrarprodukte gerade aus Argentinien blockiert. Im Gegenzug zeigt Brasilien, das Schwergewicht im Mercosur, kein wirkliches Interesse an einem Abkommen. Und wohin in Brasilien in den kommenden Monaten die Reise geht, kann derzeit niemand vorhersehen.
Einen Verbündeten beim Klimaschutz hat Merkel am Río de la Plata nicht gefunden. Der Klimawandel ist für die Macri-Regierung die perfekte Ausrede für die Millionen Hektar Agrarfläche, die jährlich durch Regenfälle überflutet werden. Schon lange kann das Wasser auf den Feldern nicht mehr versickern, weil die agroindustrielle Anbauweise von Gensoja den Grundwasserspiegel angehoben und die Böden durch das massive Ausbringen von Agrogiften versiegelt hat.
Bundeskanzlerin Merkel reist anlässlich der deutschen G-20-Ratspräsidentschaft am Donnerstag, 8. Juni, nach Argentinien und Mexiko. In Buenos Aires wird Merkel nach einem Treffen mit Wirtschaftsvertretern vom argentinischen Präsidenten Mauricio Macri empfangen. Nach einem Mittagessen wollen die beiden Politiker eine Pressekonferenz geben. In einem Wissenschaftszentrum will Merkel zudem eine Rede halten und an einer Diskussionsrunde teilnehmen. Am Freitag kommt die Kanzlerin in Mexiko-Stadt mit dem mexikanischen Staatschef Enrique Peña Nieto zusammen. Im Mittelpunkt des Gesprächs werden Wirtschafts- und außenpolitische Fragen und der G-20-Gipfel Anfang Juli in Hamburg stehen. Am Samstag stehen unter anderem ein Treffen mit Vertretern der Zivilgesellschaft und eine Veranstaltung zum Thema Industrie 4.0 auf dem Programm. (afp)
Doch anstatt das klimafeindliche Agrarmodell auf den Prüfstand zu stellen, lässt man Abflusskanäle bauen. An dieser trüben Aussicht ändert auch nicht, dass im Schlepptau der Kanzlerin Vertreter von Windpark und Solaranlagen kommen, die in Patagonien Ökostrom erzeugen wollen.
In derselben Delegation sind auch die Vertreter jener deutschen Firmen, die beim Fracking im zweitgrößten Schieferöl und –gasvorkommen der Welt mitmischen wollen. Für ein weiteres Atomkraftwerke von Siemens ist es diesmal jedoch schon zu spät, davon hat sich Macri gerade zwei aus China verkaufen lassen.
Für Mauricio Macri findet der Besuch jedoch zu einem guten Zeitpunkt statt. Im Oktober sind Teilwahlen zum Kongress, in dem er über keine eigene Mehrheit verfügt. Für Macri ist es der erste Test nach zwei Jahren Amtszeit. Und da bisher nicht wie versprochen die Wirtschaft wächst, sondern Armut und Arbeitslosigkeit, droht eine Wahlschlappe, die internationale Investoren abschrecken könnte. Da kommen ein wenig Wahlhilfe und das Foto mit der Staatschefin der stärksten europäischen Wirtschaftsmacht gerade recht.
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