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Kommentar Merkel, Macron und die EUEinigung auf das Naheliegende

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Das Treffen in Meseberg kann nicht als großer Wurf gelten, auch wenn Macron auf so etwas aus ist. Es bleibt trockene merkelsche Realpolitik.

Sie ist Macrons EU-Reformplänen eher abgeneigt: Bundeskanzlerin Angela Merkel Foto: reuters

R eden wir ausnahmsweise mal nicht von Flüchtlingen, von Angela Merkels Kanzlerschaft im Dämmerlicht, vom Aufstand der CSU. Reden wir von Emmanuel Macron. Man kann viel gegen den französischen Präsidenten einwenden, etwa dass seine Reformen den gleichen Defekt haben wie Hartz IV in Deutschland. Vom Versprechen von Sicherheit und Flexibilität bleibt am Ende nur die Forderung übrig, dass die Unterschicht flexibel zu sein hat.

Auch der gespreizte Grande-Nation-Habitus ist befremdlich, jedenfalls für pathosferne Bundesdeutsche. Aber Macron hat etwas Seltenes getan. Er hat für die bürokratisch verholzte EU, deren historische Begründung als Friedensgarant ausbleicht, ein verwegenes Ziel entworfen: eine föderale europäische Republik.

Alle französischen Reformvorschläge zielen in diese Richtung: der Eurozonenhaushalt, der europäische Finanzminister, die europäische erhobene Digitalsteuer. Mehr ­gemeinsames Militär, ein europäisches Grenzregime, eine gemeinsame Flüchtlingspolitik. Macron, jungenhaft freundlich, und Merkel, recht aufgeräumt, haben sich in Meseberg alle Mühe gegeben, Erfolgsmeldungen zu verbreiten. Wir sind uns einig, so die Botschaft.

Macron verkündet vollmundig, dass „die zweite Etappe in der Existenz des Euro“ anbricht. Die Franzosen haben scheinbar ein wesentliches Ziel erreicht: den Eurozonenhaushalt, wenn auch, auf Merkels Drängen, nicht als ganz neue Struktur. Macron lobt überschwänglich, dass es ab 2021 ein europäisch verwaltetes Eurobudget geben wird. Doch bis jetzt ist da viel Schein und wenig Sein. Die Etathöhe ist unklar, woher das Geld fließen soll, auch. Wohl aus der Finanztransaktionsteuer, die nach französischen Vorstellungen indes extrem eng gefasst wird und entsprechend wenig Geld einbringt. Oder aus nationalen Haushalten. Weiß das die CSU schon?

Kein großer Wurf

Kurzum: Vom hochfliegenden Plan, mit einem Eurohaushalt massiv im Süden zu investieren, bleibt, wenn nicht alles täuscht, nur eine hübsche Verpackung. Die Eurosteuer für Google und Co. mussten die Franzosen wegen mangelnder Unterstützung der anderen EU-Staaten bereits beerdigen.

In puncto Migration ziehen Berlin und Paris wie erwartet an einem Strang. Beide wollen einen Dreierschritt: die EU-Grenzen gegen Migranten absichern, am besten Migration schon vorher stoppen, Flüchtlinge in der EU fair verteilen. Der Weg, bis dies auch Konsens in der EU wird, ist viel länger, als die CSU ertragen kann.

Meseberg ist kein großer Wurf, keine Wende, auch wenn Macron dieses Vokabular zum Klingen bringen will. Sondern trockene merkelsche Realpolitik: so viel wie nötig, so wenig wie möglich. Ein Kompromiss, die Einigung aufs Naheliegende: Macron bekommt das Symbol, das er braucht, Deutschland muss kaum mehr zahlen. Man muss Macron nicht mögen, um bestürzend zu finden, wie seine Ideen zerschellen an der Wirklichkeit eines Europa des nationalen Egoismus.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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7 Kommentare

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  • 8G
    82236 (Profil gelöscht)

    Mit dem wenig erreichten, will Macron zuhause punkten, um seine Sparpolitik durchzusetzen: Privatisierungen, Sozialabbau, Stellenabbau im öffentlichen Dienst usw...

    Bei der Migrationspolitik geht es darum, die Grenzen dicht zu machen, um die Ängste der besorgten Bürger zu dämpfen.

  • "Einigung auf das Naheliegende" - für die Entlastung der Profite der franz. Bourgeoisie?

     

    Nach Zahlen für 2011 stieg die Lebensarbeitsdauer in Deutschland im Schnitt auf 37,4 Jahre. In Spanien wurden 34,5 Jahre bis zur Rente gearbeitet, in Frankreich 34,3 Jahre, in Griechenland 32,1 Jahre und in Italien 29,7 Jahre.

     

    Im Vergleich zu Deutschland setzt Frankreich fürs Alter stärker auf Solidarität. Im Alter geht`s Frauen in Frankreich finanziell deutlich besser als in Deutschland. Ihre Rente beträgt im Durchschnitt 811 Euro, bei deutschen Rentnerinnen dagegen nur 643 Euro im Monat. Die durchschnittlichen Renten beider Geschlechter: 1.250 Euro pro Monat in Frankreich und nur 1.071 Euro in Deutschland.

     

    Über die letzten 25 Jahre hinweg aber haben die Renten in Deutschland zehn Prozent ihrer Kaufkraft verloren, während sie in Frankreich stabil geblieben sind.

     

    Rentenniveau: In Deutschland bekommen Rentner, die voll eingezahlt haben, laut einem Bericht der OECD aus dem Jahr 2007 knapp 40 Prozent ihres vorherigen durchschnittlichen Bruttoeinkommens. In Frankreich liegt die Quote der OECD zufolge bei 50 Prozent.

     

    Frage: Wann beendet in der Bundesrepublik Deutschland die lohnabhängige Erwerbsbevölkerung ihre wirtschaftsliberale Sozialpartnerschaft mit der Bourgeoisie?

  • Neuer Kommentarversuch: Machen wir uns nichts vor. Merkel ist getrieben. Egal was sie erreicht, es wird immer den Rechten nützen.

  • Die Föderale Republik Europa", aha. Und wenn die Mehrheit - besonders der nichtdeutschen - Europäer sowas schlicht nicht will? Was dann? Einfach verfahren nach dem Juncker-Prinzip?

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...keine Ahnung, ist möglicherweise die Speisekammer.

  • Dass Macron und Merkel in Punkto Migration an einem Strang ziehen, entspricht nicht der französischen Realität. Denn Macron lässt konsequent keine Flüchtlinge z. B. aus Italien rein. Da liegt er auf CSU Linie. Frankreich hat übrigens genau wie Italien die Häfen für Flüchtlinge dicht gemacht, bevor sich Spanien bereit erklärte.

  • Sagen wir es doch wie es ist: Frau Merkel spielt nur noch auf Zeit. Die Themen, oder besser das einzige Thema wird von den Rechten vorgegeben und egal was passiert - die können bei diesem Thema nur gewinnen.