Kommentar Menschenrechte: Wer Macht hat, foltert auch
Die Arbeit von Gruppen wie Amnesty International ist notwendiger denn je. Doch nur beim Anprangern von Missständen darf es nicht bleiben.
E s wird wohl niemals einen Amnesty-Jahresbericht geben, aus dem allgemeine Zufriedenheit über die Lage der Menschenrechte weltweit spricht. Aber so frustriert, ernüchtert, ja ohnmächtig wie bei der Vorstellung des diesjährigen Berichts klingt selbst Amnesty selten.
Amnesty konstatiert ein grandioses Versagen der internationalen Gemeinschaft bei der Aufgabe, das Leid von Millionen von Menschen durch bewaffnete Konflikte und Unterdrückung durch staatliche wie nichtstaatliche Akteure zu lindern.
Dass die Organisation damit recht hat, ist unbestreitbar. Nur: Auch Amnesty kommt über das Anprangern dieses „Und die Welt schaut weg“-Phänomens nicht wirklich hinaus.
Amnesty fordert etwa, die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen konsequent zur Verantwortung zu ziehen – wer das aber in den aktuellen Konflikten von Syrien bis Ostukraine tun sollte und welche politischen Konsequenzen das hätte, bleibt unerwähnt.
Jahrzehntelang haben Amnesty und andere Menschenrechtsorganisationen für die Verrechtlichung internationaler Konflikte gestritten und dabei riesige Erfolge erzielt. Anti-Folter-Konvention, Internationaler Strafgerichtshof, Anti-Minen-Konvention, das internationale Abkommen über den Waffenhandel, das 2013 verabschiedet wurde – all das sollten Meilensteine auf dem Weg zu einer Welt mit immer weniger Menschenrechtsverletzungen sein.
Stattdessen erleben wir das Gegenteil. Internationale Normen zu verletzen bedeutet überhaupt kein Problem mehr, wenn die Täter oder ihre Verbündeten nur mächtig genug sind – ob es sich nun um die USA oder um Russland, China oder Saudi-Arabien handelt.
Die Wirklichkeit zeigt die Grenzen von Menschenrechtsarbeit auf, womöglich muss über neue Strategien nachgedacht werden. Unstrittig ist: Die Arbeit von Amnesty und anderen ist notwendiger denn je.
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