Kommentar Medizin-Studium: Glückloses Ablenkungsmanöver
Über die Unterstützung, die Gesundheitsminister Rösler für seine Vorschläge zur Reform des Medizin-Studiums aus den eigenen Reihen erhält, sollte er sich nicht zu sehr freuen.
Auf der einen Seite fehlen tausende Ärzte, auf dem Land und in den Krankenhäusern. Auf der anderen Seite erhält Jahr für Jahr nur rund ein Viertel der AnwärterInnen einen Studienplatz in Medizin. Gesundheitsminister Philipp Rösler hat nun eine simple Rechnung aufgemacht. Man müsse nur die Schleusen weiter öffnen, so Rösler, dann sei das Problem gelöst. Das heißt, den Numerus clausus lockern und Studierende, die später auf dem Land praktizieren wollen, bevorzugen. Doch so einfach ist es nicht - zumal sich Rösler über das zentrale Problem ausschweigt.
Denn folgt man Röslers Vorschlägen, müsste das Angebot an Medizin-Studienplätzen massiv ausgebaut werden - und das kostet viel Geld. Gerade Medizin-Plätze sind mit mehreren hunderttausend Euro pro StudentIn am teuersten. Labore müssen genutzt, Geräte bereitgestellt, Betreuung gewährleistet werden. Rösler hat auf diese Dinge jedoch keinerlei Einfluss, denn dafür sind die Länder zuständig. Und denen droht Röslers FDP gerade durch Steuersenkungen jeden finanziellen Handlungsspielraum - etwa für Investitionen in die Bildung - zu nehmen.
Diesen Widerspruch nimmt der Minister billigend in Kauf. Denn neben der Kopfpauschale, die für ihn zum Mega-Verliererthema zu werden droht, braucht er dringend ein neues Projekt, mit dem er glänzen kann.
Über die Unterstützung, die Rösler für seine Vorschläge aus den eigenen Reihen erhält, sollte er sich deshalb nicht zu lange freuen. Denn selbst wenn es in dieser Frage zu einer Einigung kommt: es würde dem Minister nur helfen, das Gesicht zu wahren. Dessen Hauptprojekt, die Gesundheitsfinanzen neu zu regeln, ist durch den Widerstand in der eigenen Partei fast schon erledigt.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade
Bundestagswahl für Deutsche im Ausland
Die Wahl muss wohl nicht wiederholt werden
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße