Kommentar Magnitski-Prozess: Niedriger geht es nicht mehr
Das absurde Verfahren gegen den verstorbenen Anwalt Magnitski zeigt: In Russland werden Kritiker des Regimes mundtot gemacht – im Wortsinn.
O ffensichtlich ist die russische Justiz derzeit mit Schauprozessen gegen lebende Oppositionelle noch nicht ausgelastet. Nein, jetzt werden auch noch Tote vor den Kadi gezogen.
Mit dem absurden Verfahren gegen den Anwalt Sergei Magnitski, der im Gefängnis zu Tode gefoltert wurde und sich folglich nicht mehr selbst verteidigen kann, hat die russische Führung besonders nachdrücklich ihre Haltung gegenüber Andersdenkenden demonstriert. Und die ist nichts anderes als zynisch und menschenverachtend.
Dabei geht es auch bei dieser Justizfarce in der gelenkten Demokratie des Präsidenten Wladimir Putin wieder einmal um ein und dasselbe: Kritiker des stetig weiter in den Autoritarismus abgleitenden Regimes mundtot zu machen – und das auch schon mal im wahrsten Sinne des Wortes.
ist Co-Ressortleiterin Ausland bei der taz.
Damit einher gehen durchsichtige und meist peinlich anmutende Versuche, mit Hilfe von willfährigen Rechtsprechungsorganen in politisch motivierten Verfahren die wahren Täter von jeder Schuld reinzuwaschen. Und das alles mit dem Ziel, schwerste Verbrechen der korrupten Staatsmacht zu vertuschen.
Wenn die Machthaber aus diesem Grund nicht einmal davor zurückschrecken, Verstorbene in den Dreck zu ziehen, wirft das unwillkürlich die Frage auf, wie es um dieses System bestellt sein muss.
Scheinbar nicht sonderlich gut. Wer so agiert und sich nicht einmal die Mühe macht, sein Treiben zu kaschieren, steht mit dem Rücken zur Wand. Oder glaubt Wladimir Putin allen Ernstes, auf diese Art bei seinen Untertanen verlorene Glaubwürdigkeit zurückgewinnen zu können? Auf den nächsten Akt im Kampf gegen die Opposition darf man gespannt sein. Nur so viel ist klar: Viel niedriger geht es nicht mehr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist
Experten warnen vor Trump-Zöllen
Höhere Inflation und abhängiger von den USA
Die Brennelementefabrik und Rosatom
Soll Lingen Außenstelle von Moskaus Atomindustrie werden?
Klimagipfel in Baku
Nachhaltige Tierhaltung ist eine Illusion