Kommentar Lufthansa-Streik: Nicht über den Wolken schweben
Es ist ein riskantes Spiel der Piloten-Vereinigung: Für den Streik auf den Langstrecken dürften die Kunden kein Verständnis aufbringen.
Z weifelsohne ist der Beruf des Piloten ein besonders anstrengender: Fernab der Heimat tun die Flieger Dienst; wechselnde Schichten und Zeitzonen machen ihnen zu schaffen; und immer mehr Flugverkehr zwingt zu höchster Konzentration, von knallharten Zeit- und Verbrauchsvorgaben ganz zu schweigen. Daher verdienen Piloten, insbesondere bei der Lufthansa, auch ausgesprochen gut; sie genießen zudem betriebsinterne Frühverrentungsprivilegien, von denen andere Beschäftigte nur träumen können. Es ist verständlich, dass die Piloten ihre Standards verteidigen wollen – aber sie sollten den Bogen nicht überspannen. Genau diese Gefahr droht.
Denn die Piloten weiten nun ihre Streiks auf Langstrecken aus, die für das Unternehmen besonders wichtig sind. Nachvollziehbar ist das aus Sicht der Arbeitskampfleitung, weil damit der ökonomische Druck auf die Lufthansa erhöht wird – aber die Akzeptanz des Streiks leidet darunter. Wessen lange geplanter Flug in die USA oder nach China ausfällt, dürfte wenig Verständnis für die Piloten aufbringen. Im Unterschied zu gestrichenen Inlandsflügen, wenn Passagiere auf die Bahn ausweichen können, gibt es auf der Langstrecke keine Alternative.
Für die Piloten ist das ein riskantes Spiel. Denn ohne die Akzeptanz der Kundschaft können sie auf Dauer auch nicht leben. Vielleicht verzichten ja Geschäfts- oder Privatreisende, die jetzt stranden, künftig auf einen der nächsten Überseeflüge. Das wäre zwar gut für das Klima, aber schlecht für das Geschäft der Lufthansa.
Dem droht im Übrigen auch von anderer Seite Ungemach: Sollten die EU-Russland-Sanktionen weiter verschärft werden, könnte der Kreml ein Überflugverbot über den größten Staat der Erde aussprechen. Das lukrative Chinageschäft der Lufthansa würde dann zusammenbrechen. Damit hätte sich jeder Streik erledigt.
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