Kommentar Lokführer-Kampf: Es wird wieder zugebissen
Der Kampf der Lokführer hat gezeigt, dass ernsthafte Arbeitskämpfe unerwümnscht sind. Doch die Grossgewerkschaften sind die Verlierer des Bahnstreiks. Zu Recht.
Wenn der monatelange Kampf der Lokführer bislang zu einem Ergebnis geführt hat, dann zu diesem: Ernsthafte Arbeitskämpfe der Arbeitnehmer für mehr Geld und Rechte sind in Deutschland unerwünscht. Mehr noch: selbst wenn sich eine Gewerkschaft wie die GDL nach Recht und Gesetz in einen Arbeitskampf begibt, dann ist das für Bahn, Wirtschaft und Politik schon so unerträglich, dass sie den Untergang des Standortes Deutschland beschwören. Ihre Forderung an die GDL, eine fiktionale "Tarifeinheit" einzuhalten, ist umso erschreckender, weil sie jegliches Gespür für die demokratische Selbstverständlichkeit des Arbeitskampfes und seiner Auswirkungen vermissen lässt.
Doch die Zeiten sind härter geworden. Offenbar müssen nun in Deutschland wieder schärfere Tarifauseinandersetzungen stattfinden. Denn der Kampf der GDL ist nicht primär der egoistischen Gier der Lokführer nach Privilegien geschuldet, sondern dem jahrelangen Versagen von Großgewerkschaften wie Transnet, angemessene Löhne und Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Die Mitarbeiter der Bahn mussten für die Männerfreundschaft zwischen Transnet-Chef Norbert Hansen und Bahn-Chef Hartmut Mehdorn einen hohen Preis zahlen - was ähnlich auch auf andere Großgewerkschaften wie Ver.di und den DGB zutrifft: Die oft gepriesene "Sozialpartnerschaft" zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften ist nur allzu oft zur Kumpanei verkommen.
Ohne die Kungelei zwischen Gewerkschaftsoligopol, Politik und Wirtschaft wären Sozialabbau und sinkende Realeinkommen nicht in dem Maße durchsetzbar gewesen wie in den letzten Jahren geschehen. Damit haben die Genossen über Jahre das Vertrauen ihrer Mitglieder enttäuscht. Sie treten scharenweise aus der Gewerkschaft aus, weil sich niemand gern von einem Anwalt vertreten lässt, der seine Prozesse ständig verliert. Kein Wunder also, dass sie die furchtlose und voraussichtlich erfolgreiche GDL als existenzielle Bedrohung empfinden. Denn sie erinnert an die Grundvoraussetzung einer Gewerkschaft: Wer ernst genommen werden will, muss auch zubeißen können.
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