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Kommentar LibyenDer Präsident kann es schaffen

Mirco Keilberth
Kommentar von Mirco Keilberth

Gaddafi-Anhänger leisten in Libyen weiter Widerstand. Ihnen hat die neue Armee den Kampf angesagt. Doch das Land hat noch mehr Probleme.

ber ein Jahr lang konnten sich Khamis Gaddafi und Propagandachef Moussa Ibrahim in Beni Walid verstecken. In dem Wüstennest zwei Autostunden südlich von Tripolis sympathisiert die Mehrheit immer noch mit dem ehemaligen Regime. Aber auch im lange befreiten Sirte wie in Teilen von Tripolis stehen viele der Revolution kritisch gegenüber.

Tatsächlich machen es die neuen Machthaber ihren Kritikern leicht. Ein Jahr nach dem offiziellen Ende der Revolution hat Libyen keine Armee, keine funktionierende Polizei und keine Justiz. Es herrscht de facto Anarchie. Libyen ist von Gaddafi befreit, aber die Kultur des alten Regimes lebt weiter: Gleichgesinnte halten zusammen und pflegen die Vetternwirtschaft. Genau dagegen hatten die jungen Leute letztes Jahr in Bengasi demonstriert. Erst als Gaddafi auf sie schießen ließ, begann der Kampf gegen das Regime.

Nach erlangter Freiheit terrorisierten in Bengasi plötzlich militante Islamisten die moderate Mehrheit. Angeleitet von der nach Algerien geflüchteten Gaddafi-Familie, die mit ihren ins Ausland geschafften Millionen den Widerstand organisiert. Die neue Armee hat den Islamisten und Regimetreuen nun den Kampf angesagt.

MIRCO KEILBERTH

ist Autor der taz.

Die Wahlergebnisse vom Juli zeigen deutlich, dass die Libyer mehrheitlich einen demokratischen Staat, einen moderaten Islam und Versöhnung mit den ehemaligen Regimeanhängern wollen. Gleichzeitig akzeptierten nach einem Jahr Chaos viele nun einen starken Staat; nach 42 Jahren Diktatur hatten sie diesen noch bis vor wenigen Monaten abgelehnt.

Hoffnung gibt, dass der neue Premier Ali Zeidan von allen Seiten akzeptiert wird und sich der Versöhnung verschrieben hat. Klarerweise hat die libysche Bevölkerung noch wenig Erfahrungen mit demokratischen Prozessen. Wenn Zeidan scheitert, droht Libyen langfristig die Spaltung.

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Mirco Keilberth
Auslandskorrespondent Tunis
Mirco Keilberth berichtet seit 2011 von den Umstürzen und den folgenden Übergangsprozessen in Nordafrika. Bis 2014 bereiste er von Tripolis aus Libyen. Zur Zeit lebt er in Tunis. Für den Arte Film "Flucht nach Europa" wurde er zusammen mit Kollegen für den Grimme Preis nominiert. Neben seiner journalistischen Arbeit organisiert der Kulturwissenschaftler aus Hamburg Fotoausstellungen zu dem Thema Migration. Im Rahmen von Konzerten und Diskussionsveranstaltungen vernetzt seine Initiative "Breaking the Ice" Künstler aus der Region, zuletzt in Kooperation mit der Boell-Stiftung im Rahmen des Black Box Libya Projektes.
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1 Kommentar

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  • B
    Berti

    "Nach erlangter Freiheit terrorisierten in Bengasi plötzlich militante Islamisten die moderate Mehrheit. Angeleitet von der nach Algerien geflüchteten Gaddafi-Familie, die mit ihren ins Ausland geschafften Millionen den Widerstand organisiert." Leider völlig falsch, Gaddafi hat Jahrzehnte die lokalen religiösen Spinner in Schach gehalten. Vom Westen wurden diese Leute bewaffnet und laufen halt jetzt manchmal aus dem Ruder. Ähnliches Phänomen wie in Afghanistan seit den 80er Jahren (Förderung der Taliban, Hauptsache sie bekriegen die linke Regierung und die bösen Russen).