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Bis Mitte des 20. Jahrhunderts blieb Menschen nichts anderes übrig, als zu Alkohol, Tabak, Hanf, Mohn und anderen Drogen zu greifen, wenn seelische Lasten anders nicht zu lindern oder zu bewältigen waren. Doch seit etwa 1950 gibt es exakt dosierbare Psychopharmaka, die nach sorgfältiger, meist mehrwöchiger Untersuchung von Fachärzten bei echtem Bedarf verordnet werden können - ohne zu berauschen und mit weniger oder genau kontrollierten Nebenwirkungen. Warum also ein Rückfall in primitive Drogenzeiten? Würde man das Tiefgefrieren wieder durch das Krebs erregende Räuchern ersetzen wollen? Oder mit Kutschen (und Bergen von Pferdemist mit ekligen Fliegenschwärmen) durch die Städte fahren?
Dass die Drogenpolitik an sich prohibitionistisch sei, ist allerdings eine grob wahrheitswidrige Behauptung. Leider auch sehr populär.
Dahinter bleibt verborgen, dass bestimmte Substanzen verteufelt werden und verboten sind, während andere (und die dahinter stehenden Industrien) nach wie vor staatlich gehätschelt werden, gerade auch in Deutschland, siehe z.B. http://www.kurtkoerber.de/
Auch das erwähnte Uruguay wird vo dem Zigarettenkonzern Philip Morris juristisch unter Druck gesetzt, weil dieser sein Geschäft durch Maßnahmen der Tabakkontrolle gefährdet sieht: https://www.unfairtobacco.org/philip-morris-vs-uruguay/
Wenn man sich anschaut, wie naiv und korrupt Legalize-Aktivisten nicht selten argumentieren (hier z.B. ab 06:05 mit einer Position des Deutschen Brauerbundes), braucht man sich über die Irrationalität der Politik auch nicht mehr zu wundern: https://www.youtube.com/watch?v=MKfaVYp2Lvc
Wenn das doch nur Frau Mortler auch so sehen würde! ;)
Die Degrowth-Bewegung befasst sich damit, wie eine Welt ohne globales Wirtschaftswachstum aussehen kann. Wir erklären nochmal ganz von Anfang an.
Kommentar Legalisierung von Cannabis: Rückzugsgefechte der Prohibitionisten
Die Folgen der an Prohibition orientierten Drogenpolitik sind verheerend. Es geht nicht mehr darum, ob legalisiert wird, sondern wie.
Görlitzer Park in Berlin: Die auf Verboten gestützte Drogenpolitik steckt in der Sackgasse. Foto: imago/Future Image
Es gibt nicht viele US-spezifische Probleme, die man in Deutschland auch ganz gerne hätte. Jene allerdings, die die regulierte Legalisierung von Cannabis im US-Bundesstaat Colorado mit sich bringt, sind durchaus erstrebenswert. Im Kern geht es darum, einen legalen Geschäftszweig weiterzuentwickeln und bestimmte Detailfragen der Besteuerung zu regeln.
Colorado profitiert davon, und die Befürchtungen der Unkenrufer, der Konsum auch unter Jugendlichen, die Anzahl der Verkehrstoten oder der Gewalttaten werde steigen, haben sich in den ersten eineinhalb Jahren seit Inkrafttreten des Gesetzes als vollkommen unbegründet erwiesen.
Weltweit ist ein Umdenken in der Drogenpolitik im Gange, bei dem die Frage der Legalisierung von Cannabis nur die Vorreiterrolle spielt. Die Folgen der über Jahrzehnte an Prohibition orientierten Drogenpolitik sind verheerend: Eine angemessene Aufklärung und Beratung wird erschwert, und die KonsumentInnen laufen ständig Gefahr, mit stark verunreinigten gestreckten Produkten umzugehen.
Im Zuge des in den Produzentenländern oft militarisierten Antidrogenkampfes kommt es zu schwersten Menschenrechtsverletzungen, bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Kartellen fordern Tausende von Toten. Polizei und Justiz werden ständig mit einer Anzahl von harmlosen Konsumdelikten beschäftigt.
Und bei alledem wachsen Gewinne und Einfluss der organisierten Kriminalität – und der Konsum ist seit Beginn des Antidrogenkrieges vor einem halben Jahrhundert nicht geschrumpft, sondern hat beständig zugenommen. Den Jugendschutz überlässt man dabei den Kriminellen. Dieses Ergebnis muss verteidigen, wer so weitermachen will wie bisher.
Gefährliche Rückzugsgefechte
Man kann nicht mehr diskutieren, ob eine staatliche Regulierung dieses Marktes sinnvoll sein könnte – es kann nur noch um das Wie gehen. Ist das Modell von Colorado besser, das einen von kapitalistischer Konkurrenz belebten Markt unterschiedlichster Anbieter zulässt? Oder das Uruguays, wo neben dem privaten Anbau von bis zu vier Pflanzen auch ein staatlicher Verkauf der von wenigen lizenzierten Produzenten hergestellten Ware im Aufbau ist?
Das sind die Fragen, die diskutiert gehören. Die Rückzugsgefechte der Prohibitionisten sind angesichts der täglich sich wiederholenden Katastrophen nicht nur hinterwäldlerisch, sondern gefährlich.
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Kommentar von
Bernd Pickert
Auslandsredakteur
Jahrgang 1965, Nicaragua-Aktivist in den 80ern, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org
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