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Kommentar LebensmittelkontrolleBiobranche zieht Konsequenzen

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Wenn die Bio-Kontrolleure häufig klingeln, steigt der Kontrolldruck und damit die Abschreckungswirkung. Das bedeutet nicht, dass die man sich nun selbstzufrieden zurücklehnen kann.

D ie Biobranche reagiert besser auf Skandale als die konventionelle Lebensmittelwirtschaft. Das zeigen die schärferen Ökokontrollen, die die Aufsichtsbehörden nun beschlossen haben. Nach Aufruhr um Puten und Eier, die das Bio-Siegel zu Unrecht trugen, werden große Geflügelbetriebe nun öfter kontrolliert als bisher. Das ist zwar mehr Aufwand für die Produzenten, aber absolut gerechtfertigt.

Denn das Risiko von Betrug etwa auf großen Putenfarmen ist besonders hoch. Schließlich müssen Biogeflügelhalter viel höhere Mehrkosten für Ökofutter tragen als etwa Halter von Biorindern. Die Zahl der Tiere ist gigantisch, sodass es schwieriger ist, ihren Weg durch die Betriebe nachzuvollziehen.

Wenn jetzt die Biokontrolleure öfter in der Tür stehen – und dazu noch unangekündigt –, steigt zumindest der Kontrolldruck und damit die Abschreckungswirkung. Das bedeutet nicht, dass die Biovertreter sich nun selbstzufrieden zurücklehnen können.

Denn auch die Biosparte handelt oft erst, wenn sie wie bei den Geflügelskandalen den Druck der Öffentlichkeit spürt. Zudem hat auch die Ökobranche noch Leichen im Keller. Laboruntersuchungen zum Beispiel von Obst aus der Türkei beweisen, dass dort Vorschriften wie das Verbot von Pestiziden zuweilen missachtet werden. Die Zertifizierung von Importen aus Nicht-EU-Ländern bleibt ein Problem.

Dennoch steht fest: Jeder Ökobetrieb wird mindestens einmal im Jahr überprüft. Davon ist die konventionelle Konkurrenz weit entfernt. Die Zahl der Lebensmittelkontrolleure reicht nur, um einen Bruchteil der Firmen zu inspizieren. Daran ändert sich nichts – trotz der zahlreichen Gammelfleischskandale, die der Verbraucher konventioneller Ware in regelmäßigen Abständen über sich ergehen lassen muss.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik, Pestizide, Verbraucherschutz und die Lebensmittelindustrie. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis 2022 in der Kategorie Essay, 2018, 2017 und 2014 Journalistenpreis "Grüne Reportage". 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2013 nominiert für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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1 Kommentar

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  • AK
    Anna Kreidler

    Ich meine auch, dass in Sachen Betrugsabwehr im Bio-Bereich noch viel mehr getan werden muß.

     

    Warum macht sich der durch den Franzsander/Henneberg-Skandal hauptbetroffene Bio-Großhändler Weiling diesen konstruktiven Impuls nicht zu eigen und richtet ein Chargenkontrollsystem ein ? Das bedeutet, es kommt grundsätzlich nur die Ware in den Betrieb, die zuvor von den eigenen Labors gecheckt wurde.

     

    Richtig gute (und nicht nur große) Bio-Betriebe wie z.B. Davert im Bio-Getreidebereich und Riegel im Bio-Weinbereich praktizieren das längst seit Jahren und fahren gut damit.

     

    Dies würde auch das Vertrauensverhältnis zum Bio-Fachhandel wieder festigen. Man fragt sich nämlich, wie groß die Tomaten waren (oder sind), die man in der Qualitätssicherung bei der Weiling auf den Augen hatte.

     

    Wenn Öko-Kontrolleure von Alicon (DE001) zu blöde sind, zu erkennen, dass ein Betrieb 1900Tonnen (!) konventionelles Putenfutter illegal verwandt hat, ist es an der Zeit, das Kontrollprinzip von der Plausibilität der Materialströme um weitere praktische Parameter (z.B. generelle Beprobung von Böden und Erzeugnissen) zu erweitern.

    Davon ist die Konferenz der Kontrollstellen jedoch immer noch weit entfernt. Jochen Neuendorff als ihr Sprecher wird sich etwas real Durchgreifendes einfallen lassen müssen. Eine unangekündigte Kontrolle hätte den Franzsander-Skandal z.B. nicht aufgedeckt. Die Öffentlichkeit ist gut beraten, sich von oberflächlichen Eilmaßnahmen nicht bluffen zu lassen.