piwik no script img

Kommentar LGBTI und AfDHomo-Projektionen

Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen

Alice Weidel hält die AfD für die einzige Schutzmacht der Angehörigen sexueller Minderheiten. Das ist mehr als abenteuerlich.

Kann man da klatschen? Alice Weidel meint, die AfD schütze Schwule und Lesben Foto: dpa

E s ist ungefähr die lächerlichste Behauptung, die die AfD in diesem Wahlkampf lanciert: dass sie „die einzige echte Schutzmacht für Schwule und Lesben in Deutschland“ sei. Das sagt Spitzenkandidatin Alice Weidel, und sie sollte sich auskennen, denn sie ist eine unversteckt lesbische Frau – und jener, der sie diese Abenteuerlichkeit sagen lässt, ist der Publizist David Berger, sowohl bekennendes CDU-Mitglied wie auch AfD-Wähler.

Tatsächlich meinen beide damit, dass die AfD die sie wählende Gunst weiblicher wie männlicher Homosexueller verdiene, weil sie als einzige Partei auf die Gefahr durch sogenannte muslimische Gangs hinweise und sie beseitigen möchte. Die politische Forderung kollidiert allerdings mit den Realitäten der Bundesrepublik: Keine Statistik belegt, dass die böse gesinnten Thesen Weidels wie Bergers zutreffen.

Es gibt im bundesdeutschen Alltag hässliche Szenen gegen offene Lesben und Schwule und Trans*menschen. Und sehr oft von migrantischen Jugendlichen gegen alles, was sie für weich und schwächlich halten. Unwahr ist jedoch, dass es ein exklusiv muslimisch grundiertes Mobbing gegen Homosexuelle gibt.

Worüber von Weidel nichts zu hören ist: Die AfD will in Schulen alles getilgt sehen, das der Aufklärung über und mit Homosexuelle(n) dient. Genderwahn heißt es dann. Die AfD ist es, die den hasserfüllten Skeptizismus gegen alles schürt, was nicht die völkisch-heterosexuelle, bevölkerungspolitisch orientierte Norm erfüllt.

Wie können sie nur als Schwule und Lesben!

Jedoch: Ein Staunen darüber, dass Menschen wie Alice Weidel und David Berger für die AfD kämpfen – Motto: Wie können sie nur als Schwule und Lesben! –, verfehlt den Gedanken, dass Angehörige sexueller Minderheiten, und lebten sie ihre Homosexualität auch noch so unverhüllt, ebenso reaktionär, lügnerisch oder rechtspopulistisch sein können. Es steht ihnen sogar zu, ob es einem behagt oder nicht.

Dass die AfD mit derartigen Thesen überhaupt Wahlkampf machen kann, hat andererseits auch damit zu tun, dass linke und libertäre Kräfte in der Bundesrepublik es vielfach versäumt haben, Ängste von LGBTI ernst zu nehmen – besonders jene vor homophob agilen Menschen, die aus Ländern stammen, in denen Schwule mit dem Tod bedroht werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Nun, lieber Herr Feddersen,

    man muß die AfD nicht mögen (ich tue es nicht), aber als Schwuler muß ich ebenfalls feststellen, dass die Sicherheit der Schwulen (und nur für die kann ich sprechen...nicht für Lesben, Intersexuelle oder Transmenschen) in einigen Bezirken Berlins eben nicht gewährleistet ist...vor allen Dingen nicht im Regenbogenkiez in Sbg. oder um den Kotti rum...und ich spreche aus eigener Erfahrung, denn ich war bereits ein solches Opfer.

     

    Maneo hat verschiedene Jahresberichte rausgebracht zur zunehmenden homophoben Hassgewalt im Öffentlichen Raum und dass die Täter mehrheitlich muslimisch waren...nur...im Senat/Abgeordnetenhaus/Bezirksämtern wollte es niemand hören...weder die Grünen noch SPD oder CDU oder gar die Linke.

    Fazit: also konnte auch nicht gezielt gegengesteuert werden.

    Es schien einfach politisch nicht opportun, im ach so happy Multi-Kulti Berlin gezielt zu eruieren, welches Geschlechterbild viele Muslime in Berlin haben...und WAS gegen "Schwulenklatschen" zu tun ist.

    Insofern kann man Weidel eigentlich auch nicht widersprechen, wenn sie behauptet, dass die etablierten Parteien in diesem Punkt versagt hätten.

    Denn..DAS haben sie zweifelsohne!