Kommentar Krankenkassenbeiträge: Alte Forderungen aus neuem Munde
Der umstrittene Gesundheitsfonds könnte sich jetzt noch als praktisch und sehr nützlich erweisen, denn damit kann der Bund kontrollieren, wie viel Geld ins Gesundheitssystem fließt.
B islang stemmte sich die Union stets gegen mehr Steuergeld für das Gesundheitssystem, weil so etwas angeblich dem Wettbewerb schade. Der Gesundheitsfonds drohte zum zentralen Wahlkampfthema zu werden, nach dem Motto: Nicht wir, sondern der Koalitionspartner ist schuld an steigenden Beiträgen für 90 Prozent der gesetzlich Versicherten. Doch die Wirtschaftskrise wirft vieles um, was lange selbstverständlich schien. Nun werden wieder viele altbekannte Forderungen laut - aber sie kommen jetzt von ungewohnter Seite.
So ist die Forderung der Gesundheitsministerin, den von den Arbeitnehmern gezahlten Sonderbeitrag abzuschaffen, ein alter Hut. Nun aber gilt sie als Mittel zum Ankurbeln der Konjunktur. Das mag sogar stimmen. Aber es wäre bizarr, wenn Schmidt nun als Kostensenkerin glänzen könnte. Denn die Ministerin hat die massiven Honorarzuwächse für Ärzte mitzuverantworten, die zum steilen Anstieg der Kassenbeiträge erst beigetragen haben.
Mindestens ebenso unwirklich scheint der Vorschlag des CSU-Wirtschaftsministers Michael Glos, 10 Milliarden Euro mehr an Steuergeld pro Jahr ins Gesundheitssystem zu pumpen. Ulla Schmidt weiß vermutlich nicht, ob sie vor Freude oder Wut weinen soll. Immerhin fordert die SPD-Frau seit Jahren, das Gesundheitssystem stärker aus Steuergeldern zu finanzieren. Und nun kommt ausgerechnet ein Christsozialer und fordert ebendies als Teil eines zweiten Konjunkturpakets.
Selbst der von seinen Erfindern ungeliebte Gesundheitsfonds könnte sich jetzt noch als praktisch erweisen - zumindest aus Sicht Ulla Schmidts. Denn dank dem Fonds kann der Bund kontrollieren, wie viel Geld ins Gesundheitssystem fließt. Noch nie war es für den Gesetzgeber so einfach, 70 Millionen Menschen hierzulande so schnell mit mehr oder weniger Geld zu bedenken.
Noch mag Schmidt glauben, diese Politisierung des Gesundheitssystems nutze ihr. Doch beim nächsten Scheingefecht könnte es nicht um Beitragssenkungen, sondern um Steigerungen gehen. Zum Schaden von Millionen Versicherten.
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