Kommentar Krankenhaus-Hygiene: Bitterer Beigeschmack
Die Forderungen nach einem Hygienegesetz sind populistisch und in Mainz fachlich fehl am Platz. Rösler lenkt damit nur von der Ursache ab: dem Umbau des Gesundheitssystems.
D ass in deutschen Kliniken jährlich zwischen 15.000 und 60.000 Patienten an einem Keim sterben, den sie erst im Krankenhaus erworben haben, ist ein Skandal. Neue Hygieneregeln für Krankenhäuser, die FDP-Gesundheitsministers Philipp Rösler jetzt ankündigt, sind daher überfällig.
Zeitpunkt und auch Anlass seiner Ankündigung hinterlassen jedoch einen bitteren Beigeschmack. Denn nach allem, was bisher bekannt ist, hat der tragische Tod von drei Neugeborenen in der Mainzer Kinderklinik nichts zu tun mit den zunehmenden Problemen durch oftmals multiresistente Krankenhauskeime, gegen die kein Antibiotikum mehr hilft.
Noch ist sogar unklar, ob der Tod der drei Neugeborenen überhaupt durch eine bakteriell verunreinigte Infusionslösung verursacht wurde. Und selbst wenn: Für die Zubereitung von Infusionslösungen gibt es bereits Hygienevorschriften, die in Mainz auch angewandt werden. Zu prüfen ist jetzt - und zwar seitens der Staatsanwaltschaft -, ob sie Schwachstellen aufweisen oder ob sie in einem entscheidenden Punkt nicht eingehalten wurden. Ein neues Gesetz braucht es dafür nicht.
Wolfgang Löhr ist Wissenschafts-Redakteur der taz.
Das weiß auch Gesundheitsminister Rösler als promovierter Arzt nur zu gut. Sein medienwirksamer Vorstoß ist deshalb nur populistisch. Zugleich stiehlt sich Rösler aus der Verantwortung, indem er darauf hinweist, dass für Krankenhaushygiene die Bundesländer zuständig sind. Dass bisher nur vier Bundesländer Regelungen für die Krankenhaushygiene verabschiedet haben, soll seiner Gesundheitspolitik nicht anzulasten sein. Doch damit macht es sich Rösler zu einfach. Denn jede Hygienemaßnahme kostet Geld. Und dass dies bei den Kliniken knapp wird, hat mit Röslers Umbau des Gesundheitssystems zu tun.
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