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Kommentar Kranke Piloten bei Air BerlinWer sich wehrt, lebt nicht verkehrt

Kai Schöneberg
Kommentar von Kai Schöneberg

Das Verhalten der Piloten ist hochriskant, aber verständlich. Sie müssen nicht alles schlucken, schließlich geht es um ihre Existenz.

Alle krank: Ein leerer Schalter von Air Berlin Foto: dpa

D er Betriebsrat sprach von einer „Kette von Informationsveranstaltungen“, das Management von „wildem Streik“, als etwa 10.000 Opelaner im von Entlassungen bedrohten Bochumer Werk eine Woche lang die Arbeit niederlegten. Viele rechtfertigen den Ausstand vom Oktober 2004 bis heute: Schließlich ging es um die Existenz der Malocher. Ja: Opel Bochum wurde dann doch dichtgemacht. Aber: erst zehn Jahre später. Und: Wer sich wehrt, der lebt. Er lebt auch nicht verkehrt.

Es ist unnütz, den 200 kranken Piloten von Air Berlin zu unterstellen, sie hätten kollektiv simuliert. Eine Krankmeldung ist arbeitsrechtlich kaum anzweifelbar.

Airberlin am Boden

Am Dienstag und Mittwoch waren rund 200 Flüge ausgefallen, weil etliche Piloten sich krankgemeldet hatten. Dutzende Flüge wurden gestrichen. (dpa)

Gut möglich, dass eine insolvente Airline mit relativ hochdotierten und renitenten Piloten schwer zu verkaufen ist. Einige Investoren und gelackmeierte Fluggäste dürften sich nun von Air Berlin abwenden.

Deshalb ist das Verhalten der Piloten, das auch Tausende geringer bezahlte Airline-Beschäftigte trifft, hochriskant – aber verständlich: Auch die Air-Berlin-Piloten haben Angst. Zum Beispiel, dass die neuen Chefs Einzelne „aussortieren“, weil sie zu teuer sind. Das heißt nicht, dass die Piloten alles schlucken müssen, um weiter fliegen zu dürfen.

Regulär streiken dürfen sie jedoch nur, wenn es um die Durchsetzung eines Tarifvertrags geht, und dann nur außerhalb der Friedenspflicht. Doch die Verhandlungen über einen Sozialplan für die Flugzeugführer scheiterten – er wurde sogar als „Investitionshemmnis“ definiert. Wer so agiert, muss sich über eine „Go sick“-Aktion nicht wundern. Ähnliches widerfuhr zuletzt Tuifly und auch der Lufthansa.

Es gibt viele Interessenten für Air Berlin, Ende der Woche endet die Bieterfrist. Alle bei der Airline tun derweil gut daran, ihre Interessen zu definieren: Zum Beispiel, dass sie nicht bei einem Flug-Billigheimer landen wollen. Die Start-und-Lande-Rechte – und auch das Fachpersonal – von Air Berlin sind viel zu begehrt, als dass ein Verkauf daran scheitern könnte.

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Kai Schöneberg
Ressortleiter Wirtschaft und Umwelt
Hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz als Leiter des Ressorts Wirtschaft + Umwelt, seit August 2024 im Sabbatical.
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3 Kommentare

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  • Im Gegensatz zu den Streiks der Lufthansapiloten haben die Piloten der Air Berlin Angst vor der Zukunft.

     

    Und ist es so verwunderlich, dass die Leute ihren Standard halten wollen? Wer würde das nich wollen?

     

    Alle Air Berliner baden das Missmanagement der letzten Jahre aus, wobei die Verantwortlichen schon lange das Weite gesucht haben.

     

    Bis auf Herrn Winkelmann. Aber dieser hat ja eine Bankbürgschaft i.H.v. EUR 4,5 Mio. (!) in der Tasche um seine Bezüge bis zum vereinbarten Vertragsende zu garantieren.

     

    Das ist doch der eigentliche Skandal über den nicht gesprochen wird.

  • 200 gut bezahlte Piloten sorgen dafür, dass die Chancen auf Weiterbeschäftigung für 7800 deutlich schlechter bezahlte Kollegen/innen deutlich gesunken sind. Äußerst soziales Verhalten!

  • Und dumm ist es trotzdem. Wir sprechen von Piloten für Langstreckenflüge, die mehr als 200 000€ verdienen und die kein Arbeitgeber zu dem Gehalt einstellen möchte. Die haben nun ihre Situation und die ihrer Kollegen verschlechtert und sogar die eigene Gewerkschaft blamiert. Daran ändert auch nichts, dass die Konkursmasse immer kleiner wird.