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Kommentar KosovoIllusorische Hoffnungen

Erich Rathfelder
Kommentar von Erich Rathfelder

Der schwelende Konflikt mit der serbischen Minderheit im Norden behindert die Entwicklung des Kosovo. Nur der Druck der EU kann für Abhilfe sorgen.

D er jüngste Staat Europas ist immer noch nicht ganz flügge geworden. Der Rückzug des International Civil Office aus dem Land bedeutet noch nicht die völlige Souveränität des Landes. Zwar haben über 90 Staaten Kosovo diplomatisch anerkannt, doch nach wie vor behindern Russland und China aus Rücksicht auf Serbien mit ihrem Veto im Weltsicherheitsrat die volle Entfaltung der Staatlichkeit Kosovos.

Trotzdem ist es in all den Jahren der internationalen Gemeinschaft gelungen, die Lage in und um Kosovo zu stabilisieren. Durch die UN-Mission ab 1999 wurden die Grundlagen für den Aufbau staatlicher Institutionen gelegt, nach der einseitigen Unabhängigkeitserklärung 2008 wurde der Prozess systematisch weiter unterstützt. Die Zeit war jetzt reif dafür, der kosovarischen Regierung weitere Kompetenzen zu übertragen. Kann Kosovo jetzt aber wie ein unabhängiger Staat regiert werden?

Nicht ganz. Der schwelende Konflikt mit der serbischen Minderheit im Norden behindert die Entwicklung des Landes. Serbien kann zwar nicht mehr umhin, die Realität Kosovos zähneknirschend zu akzeptieren, doch es ist psychologisch wie politisch noch nicht in der Lage, normale Beziehungen herzustellen.

Bild: taz
Erich Rathfelder

ist Balkan-Korrespondent der taz.

Nur der Druck der EU kann Serbien dazu zwingen, an diesem Punkt nachzugeben. Erst wenn die Beziehungen zu Kosovo normalisiert werden, kann Serbien die Mitgliedschaft in der EU ernsthaft anstreben. Diese ursprünglich deutsche Position hat sich nach dem Sieg der Nationalisten und Parteigänger Milosevic’ bei den letzten Wahlen mehr und mehr auch in Brüssel durchgesetzt.

Hoffnungen, dass der rechtsgestrickte serbische Präsident das Land auf einen neuen Weg führen kann, sind wohl illusorisch. Die EU, die Nato und auch die USA werden sich deutlich engagieren müssen.

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Erich Rathfelder
Auslandskorrespondent Balkanstaaten
Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.
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9 Kommentare

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  • B
    Berlin_Wannsee

    Der "Westen" manövriert sich dann mit seiner Doppelmoral - die auch in Rathfelders Kommentar deutlich heraus zu lesen ist, wenn man die Lage neutral betrachtet - in immer größere Schwierigkeiten.

     

    Wie das ausgehen kann, erleben wir derzeit in anderen arabischen Staaten, wo das Volk korrupte Regierungen einfach hinwegfegt. Mittelfristig kann das auch das Schicksal des Kosovo werden, wenn man sich nicht wirklich bemüht, die katastrophalen und immer schlimmer werdenden Zustände im Kosovo zu verbessern (extrem hohe Arbeitslosigkeit, zunehmende Kriminalität (Organ- und Frauenhandel), ausufernde Korruption, Unterdrückung aller Minderheiten etc.). Eine funktionierende Wirtschaft ist in diesem Land faktisch nicht vorhanden, man lebt nahezu ausschließlich von Geldspritzen und Zuwendungen.

     

    Was Herr Rathfelder da im stattdessen Kosovo zu sehen glaubt, bleibt sein Mysterium.

     

    Ich möchte an dieser Stelle hinzufügen dass diejenigen Länder, die sich im Kosovo engagieren (EU, USA) in finanziellen Probleme gfinden, was bei Unterstützern der serbischen Position nicht der Fall ist (Russland, China). Auch das spricht für eine allmähliche Verschiebung der Gleichgewichte und kann bei jahrelang getäuschten Lesern zu einem bösen Erwachen führen.

  • SB
    Sprachlos bis entsetzt

    Welch unglaubliche Fehleinschätzung, die entweder von vollständiger Unwissenheit oder aber von vollkommenem Täuschungswillen zeugt. Das ist das Niveau der RTL-Berichterstattung aus dem YU-Krieg.

    Die Serben blokieren auf dem Kosovo einiges, aber das ist das kleinste Problem:

    Die Lage dort als stabil zu bezeichnen, ist unglaublich!

    Menschenrechte werden dort nicht geachtet: siehe oben, die anderen Kommentare zu den Minderheiten, und insbesondere Frauenrechte. Der Kosovo ist die Topadresse für Frauenhandel und "by the way" ist die Frau dort gar nichts wert!!!! Von Herrn Marti und die Aufdeckung des Organraubs- u. -handels, in denen Thaci u. Co. verwickelt sind, wird hier auch nichts erwähnt, wobei die Ermittlungen noch laufen. [Für alle, die es nicht wussten, das Organsraubopfer ist bei der Entnahme LEBENDIG.] Von den Islamisten auf den Kosovo auch kein Wort. Von der sozialen Misere auch nicht.

    Dieser Staat ist ein Fail State, der von der USA nur deswegen Rückendeckung erhält, weil sie dort das Camp Bondsteel errichtet haben---DIE GRÖßTE MILITÄRBASIS AUßERHALB DER USA---Deswegen sind die mafiös-kriminellen Machenschaften der Regierungsmitglieder nicht so "schlimm". Das wissen Sie auch, Herr Rathfelder; falls nicht, lassen Sie es einfach, über eine Region zu schreiben, die sie nicht interessiert. Oder arbeiten Sie einfach in den PR-Agenturen, die beschäftigt werden, um der EU-Bevölkerung, die Finanzierung von Kriege und Marionetten-Staaten schmackhaft zu machen.

  • T
    Traumdeuter

    Selten so wenig Sachverstand zu diesem Thema gelesen.

    Ihr "Experte" scheint eine NATO Forderung gelesen und abgeschrieben zu haben.Keine eigene Meinung und keine Analyse, zu diesem schwierigen Thema. Eine Einigung wird es nur geben, wenn diese durch wirkliche Verhandlungen der beiden Volksgruppen zustande kommt.

  • D
    Demokratiefreund

    Ein Staat, der so auf Unrecht gegründet ist, muss schon sehr viel tun, um aufs rechte Gleis zu kommen.

     

    Die UCK (kosovarische Befreiungsorganisation) war vor der Unabhängigkeit nach Medienberichten - die es damals noch häufiger gab - die zweitgrößte Drogenorganisation Europas.

    Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Kosovo#Organisierte_Kriminalit.C3.A4t

     

    Der CDU-Bundestagsabgeordnete Wimmer hat darüber hinaus darauf aufmerksam gemacht, dass sich die UCK im Gegensatz zu Serbien nicht an Abmachungen (Waffenstillstand, Rückzug auf bestimmte Grenzen etc.) gehalten hat.

     

    Wie im Prozess gegen Milosevic in Den Haag belegt wurde, hatte das Kosovo gerade auch unter Milosevic eine weitgehende Autonomie. Die heutigen Schwierigkeiten waren vorhersehbar.

  • H
    Häh?!

    Was ist das denn für ein Quatsch? Die Probleme machen die Kosovaren die unsäglich mit ihren Minderheiten umspringen!

    Dieser Staat hätte nie entstehen dürfen und das was da an Ausgrenzung, Vertreibung und juristischer Ungleichbehandlung läuft ist nicht zu tolerieren!

    Was kann Serbien da denn bitte positiv bewirken? Werden die Albaner ihre ethnischen Säuberungen einstellen wenn Belgrad sie akzeptiert?! Was für eine unglaublich freche Behauptung!

    Aber die bösen Serben tendieren nun zu Nationalismus, obwohl sie doch so wunderbar illegal zu einem staatlichen Krüppel bombardiert wurden, einem Landlocked Country ohne Perspektive!

    Einfach dreist...

  • P
    Pascal

    Der Kommentar ist lachhaft einseitig und heuchlerisch. Es gibt keinen guten Grund warum Serbien die Verbrechen die sowohl politisch als auch militärisch gegen es begangen wurde in irgend einer Form anerkennen muss. Immerhin gibt es auch ein respektables EU-Mitglied das den Kosovo nicht anerkennt, nämlich Spanien. Soll Spanien dann jetzt aus der EU entfernt werden?

     

    Zu sagen dass der Kosovo niemals hätte unabhängig werden dürfen und ihn daher folgerichtig nicht anzuerkennen ist eine durchaus valide Ansichtsweise und jeder politische Kommentar zu dem Thema sollte das auch berücksichtigen. Ebenso ist es durchaus valide und sogar durch und durch logisch zu sagen dass der Nordkosovo zumindestens Serbisch sein sollte. Wenn sich der Kosovo im Namen der nationalen Selbstbestimmung und dem demokratischen Wille der betroffenen Bevölkerung von Serbien abspalten darf, warum darf sich unter Berufung auf die gleichen Werte nicht auch der Nordkosovo vom Kosovo abspalten?

     

    Die 'internationale Staatengemeinschaft' hat eine unglaubliche Doppelmoral gezeigt was Jugoslawien angeht. Es wurde ein Narrativ aufgebaut, welches auch von den meisten Medien gedeckt wurde, welches die Serben als alleinige Bösewichter der ganzen Sache kennzeichnete. Und so kommt es dann dass man ja auf keinen Fall Bosniens territoriale Integrität aufbrechen darf, das wäre ja ganz fatal wenn man Srpska Unabhängigkeit zuspräche - während man es dem Kosovo gewährt. Und so kommt es dass niemand ein Wort gesagt hat, dass es kaum auch nur berichtet wurde, wie die Kroaten die Krajina ethnisch gesäubert haben.

     

    Und so kommt es, dass im Nachhinein still und leise die meisten Regierungen zugeben mussten dass sie die Lage im Kosovo vor der Intervention ein klitzeklein wenig aufgebauscht haben, oder gar komplett gelogen haben - währned sie selber während der Intervention, als die Luftschläge gegen militärische Ziele keine Wirkung zeigten, anfingen systematisch zivile Ziele angriffen um Rest-Jugoslawien in die Knie zu zwingen. Mit Uranmonition gegen eigentlich zivile Ziele, was den Tod von über Tausend Zivilisten forderte!

     

    Und nun, ausgehend von diesem gekitteten Narrativ dass die Serben ja eh immer die Bösen sind wird einseitig von ihnen gefordert den Kosovo in seinen eigentlich willkürlichen Grenzen zu akzeptieren, obwohl ja niemand ihre Grenzen akzeptiert hat. Nun, wir sind es ja von der 'internationalen Staatengemeinschaft' gewohnt solche krankmachenden Doppelstandards zu pflegen, aber muss das denn auch hier passieren?

     

    Wenn die Kosovaren denn in demokratischer Mehrheit die Unabhängkeit wünschen, dann sollen sie diese haben. Aber dann muss mit dem gleichen Recht auch gelten dass wenn die Nordkosovaren in demokrstischer Mehrheit die Wiedervereinigung mit Serbien wünschen, dass dann dies ebenfalls geschehen sollte. Ich weiß, ich weiß, 'ethnische Grenzen' sind ein Unwort geworden, und in der Tat, wenn diese auf ethnischen Säuberungen basieren ist es auch ein Unding. Aber wenn diese Linien schon da sind, und wenn sie zudem Bruchstellen demokratischen Willen in der Frage der Staatszugehörigkeit sind, dann ist es meiner Meinung nach ein Gebot der Demokratie diesen Willen zu beachten!

  • P
    Petzold

    Mann, was für ein gräßlicher Beitrag. Genau das Gegenteil ist richtig: Die Schaffung der Verbrecherhochburg Kosovo ist die letzte Sünde in der langen Reihe der falschen Entscheidungen bzzg. Jugoslawien.

    Herr Rathfelder sieht keine klaren Bilder mehr.

  • A
    Arne

    Wieso ist die Souveränität der muslimischen Kosovaren mehr Wert als die der serbischen Kosovaren?

    Was spricht gegen eine Löslösung des nordlichen Teiles des Kosovos, der mehrheitlich serbisch bewohnt ist?

     

    Wenn man den Kosovaren diese Souveränität zulässt, warum nicht dann auch den Serben???

  • KP
    Keine Partei

    Es konnte der mehrheitlich muslimischen Bevölkerung des Kosovo also nicht zugemutet werden, als Minderheit im christlichen Serbien zu leben, aber den Serben, als christliche Minderheit im muslimischen Kosovo?

     

    Das klingt doch arg mit zweierlei Mass gemessen.

     

    Wenn die EU die Rechte der einen Minderheit mit Umstrukturierung der Grenzen berechtigt, warum nicht die der Anderen?

     

    Oder geht es darum, die Serben weiterhin als Tätervolk zu diskriminieren? Das ignoriert Jahrhunderte insbesondere auch muslimischer Unterdrückung und negiert auch die Erfahrungen aus dem ersten Weltkrieg bezüglich der Stabilität solcher einseitigen Diktate.

     

    Die Situation ist verfahren, sie wurde durch die Unterstützung des Kosovo nicht besser, und wird durch Ablehnung der Rechte der serbischen Minderheit erst recht nicht verbessert.

     

    Nun von den Serben zu verlangen was die Kosovaren mit Unterstützung der EU nicht bereit waren zu tun klingt jedenfalls scheinheilig und einseitig.