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Kommentar KonjunkturprognoseJapanische Verhältnisse

Felix Lee
Kommentar von Felix Lee

In der Krise wird der Gürtel enger geschnallt - auch in Deutschland. Doch dieser Mechanismus führte bereits 1929 in die Depression und Japan in den 90er Jahren in eine Dauerkrise.

A uf den ersten Blick sehen die Aussichten für Deutschland gar nicht so dramatisch aus. Der Ifo-Index, einer der wichtigsten Gradmesser für die deutsche Konjunktur, ist im Dezember überraschend gestiegen. Die Verbraucher kaufen weiter kräftig ein. Und auch das gewerkschaftsnahe Wirtschaftsinstitut IMK geht derzeit lediglich von einer Stagnation der Wirtschaft aus, nicht von einer Rezession. Angesichts der bösen Lage in Resteuropa könnten die Deutschen in den kommenden Monaten mit einem blauen Auge davonkommen.

Spätestens aber im zweiten Halbjahr wird sich auch hierzulande die Lage verschlimmern. Denn dann werden wir erleben, welche Folgen der unter anderem von der Bundesregierung so massiv betriebene Sparkurs im gesamten Euroraum haben wird. Sosehr nachvollziehbar ist, dass ein Einzelner in wirtschaftlich schwierigen Zeiten Geld beiseite legt - wenn dies alle Staaten zugleich machen, droht eine Depression.

Dass Griechenland angesichts hoher Schulden die Gürtel enger schnallt, kann eine Strategie sein. Sie macht ökonomisch aber nur dann Sinn, wenn andere Länder durch höhere Ausgaben diese Kürzungen kompensieren. Das robuste Deutschland könnte eine solche Rolle übernehmen. Doch die Regierung Merkel setzt ihrerseits auf Sparen. Das war im Übrigen der Mechanismus, der 1929 die Welt in die Depression führte, Japan Anfang der 1990er Jahre in eine Dauerkrise stürzte - und Europa jetzt erneut droht.

Bild: taz
FELIX LEE

ist Redakteur im Umwelt- und Wirtschaftsressort der taz.

Sparapostel entgegnen, dass bei einer Politik höherer Ausgaben die Ratingagenturen auch Deutschland abwerten könnten. Doch schaut man sich die Begründungen der Agenturen genau an, ist es gar nicht die Neuverschuldung, die sie so skeptisch macht, sondern ein drohender Konjunkturabsturz. Sosehr sie mit ihren oft zweifelhaften Urteilen wie Brandbeschleuniger die Krise verschärfen: In diesem Punkt haben sie Recht.

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Felix Lee
Wirtschaft & Umwelt
war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.
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6 Kommentare

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  • AS
    Andreas Suttor

    @Momo:

    So ist das mit Wikipedia. Gesundes Halbwissen. Alle von Ihnen zitierten Aussagen sind richtig und widersprechen meinen Aussagen in keinster Weise, denn als Brüning die Reichskanzlerschaft übernahm, war das Kind schon längst in den Brunnen gefallen - aus den von mir benannten Gründen. Brünings Deflationspolitik war alternativlos, weil vorher - wie von mir beschrieben - die Reichsfinanzen so zerrüttet wurden, daß eine keynesianische Politik leider unmöglich war.

  • CH
    Christian Hornberg

    @ Ludwig Stab

     

    Ich weiß gar nicht, wie Sie darauf kommen, Japans Konjunkturprogramme seien samt und sonders wirkungslos gewesen?

     

    Japan hat, trotz 2 Jahrzehnten Beinahe-Stagnation noch immer eine niedrigere Arbeitslosenquote als Deutschland (Wie wäre das wohl ohne Konjunktruprogramme?) - und eine öffentliche Infrastruktur in Straße, Schiene und ÖPNV, die ihresgleichen sucht.

     

    Ich will Japans Wirtschaftspolitik nicht verteidigen oder gar als durchgängig richtig darstellen, Ihr Kommentar klingt allerdings sehr nach ideologischem Vorurteil.

  • M
    Momo

    @Andreas Suttor

     

    Sie schreiben:

     

    "Die Staats- und Wirtschaftskrise Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre war deswegen so schwer, weil die Reichsregierungen in den Jahren 27-29 durch eine absurde Klientelpolitik den Haushalt ruiniert hatten. Sparen wäre auch damals sinnvoll gewesen und hätte den folgenden Reichsregierungen die finanziellen Möglichkeiten zur Abfederung der sozialen Härten der Wirtschaftskrise gegeben. Leider aber wurde nicht gespart - mit den bekannten Folgen."

     

    Sind Sie sicher, daß Sie aus ideologischen Gründen (wegen der Ehrenrettung von Merkels unsäglicher "Schwäbischer Hausfrau") Fakten durch Ideologie ersetzen? Ich zitiere Wikipedia:

    http://de.wikipedia.org/wiki/Deflationspolitik

     

    "Die Deflationspolitik war bezeichnend für die Wirtschaftspolitik von Heinrich Brüning während der Weltwirtschaftskrise. Er war der erste Reichskanzler eines Präsidialkabinetts in der Weimarer Republik. Diese Politik war gekennzeichnet durch eine strikte Haushaltssanierung. Es kam also zu sinkenden Preisen und einer Deflation. Das Ziel war eine "Gesundschrumpfung" der deutschen Wirtschaft, durch die niedrigeren Preise sollten deutsche Produkte auf dem Weltmarkt attraktiv und der Export angekurbelt werden. Mit Hilfe von Notverordnungen wurden die direkten Steuern auf Löhne, Einkommen und Umsätze und vor allem die indirekten Steuern wie die Steuern auf Zucker, Bier und Tabak erhöht. Außerdem wurden die Sozialausgaben sowie die Löhne und Gehälter im öffentlichen Dienst gesenkt. Im Herbst 1931 verschärfte die Regierung durch staatlich festgelegte Lohn-, Preis- und Mietsenkungen noch einmal bewusst die Deflation. (...)

    Die Lasten der Deflationspolitik waren ungleich verteilt: Während Menschen mit fester Anstellung auf Grund der teils dramatisch sinkenden Preise ihr Realeinkommen zum großen Teil halten konnten (auch wenn sie sich wegen der sinkenden Nominallöhne benachteiligt glaubten) und Kapitaleigner profitierten, litten insbesondere leicht kündbare Arbeitnehmer und Arbeitslose unter der Krise, die sich durch die Politik der Regierung nämlich dauernd verschärfte. Sie betrieb eine prozyklische Wirtschaftspolitik: Der Staat senkte in einer Konjunkturkrise seine Ausgaben und verschlimmerte diese damit."

  • AS
    Andreas Suttor

    Wenn man schon historische Beispiele zur Untermauerung eigener Thesen anführt, sollten Sie auch zielführend sein und die eigenen Ansichten stützen. Über den angesprochenen Fall Japan hat schon einer meiner Vorredner das Passende gesagt, und auch die Weimarer Republik um 1929 ist kein passendes Beispiel. Ganz im Gegenteil: die Staats- und Wirtschaftskrise Ende der 20er und Anfang der 30er Jahre war deswegen so schwer, weil die Reichsregierungen in den Jahren 27-29 durch eine absurde Klientelpolitik den Haushalt ruiniert hatten. Sparen wäre auch damals sinnvoll gewesen und hätte den folgenden Reichsregierungen die finanziellen Möglichkeiten zur Abfederung der sozialen Härten der Wirtschaftskrise gegeben. Leider aber wurde nicht gespart - mit den bekannten Folgen.

  • LS
    Ludwig Staab

    Beispiel Japan

     

    In Japan wurde mit denselben Argumenten wie in diesem Artikel ein Konjunkturprogramm nach dem anderen aufgelegt- ohne nennenswerte Erfolge, dafür ist das Land jetzt absurd hoch verschuldet.

     

    Sparen ist schon recht sinnvoll...

  • M
    Momo

    Wirft man einen Blick in die Medien, dann zeigt sich, daß diese sich bzgl. ihrer Berichterstattung zum GfK-Konsumklimaindex und zum Ifo-Index wieder einmal sehr stark an der von der dpa verbreiteten Jubelberichterstattung orientieren. So auch die Frankfurter Rundschau, die mehr und mehr von ihrem ehemaligen linksliberalen Profil abrückt und sich stattdessen zunehmend im ohnehin schon reichlich vorhandenen konservativ-neoliberalen Medienmainstream einreiht. Zur Entwicklung von Ifo- und GfK-Index titelt die FR: "GfK und ifo: Wirtschaft trotzt den Unkenrufen".

    http://www.fr-online.de/wirtschaft/gfk-und-ifo-wirtschaft-trotzt-den-unkenrufen-und-der-eurokrise,1472780,11334748.html

     

    Zu diesem FR-Bericht habe ich dort zwei Leserkommentare verfasst:

     

    Mein erster Leserkommentar:

     

    Wieder einmal wird auf Basis sog. Stimmungsindikatoren im wahrsten Sinne des Wortes "Stimmung gemacht", frei nach dem Motto: "Ist Deutschland nicht Spitze?"

     

    Zunächst einige Anmerkungen zum sog. GfK-Konsumklimandex, jenem Indikator, der lt. Gesellschaft für Konsumforschung die "Konsumentenstimmung" messen soll. Seit Ende des Jahres 2005 - dem Beginn der Merkel-Kanzlerschaft - wird dieser "Stimmungsindikator" in unschöner Regelmäßigkeit von den Medien dazu herangezogen, um mit Jubelberichten über einen angeblichen "Kaufrausch", "Konsumrausch" oder über "Konsumpartys" (v.a. als Stimmungsaufheller im Umfeld von Fußballwelt-/europameisterschaften) über die triste Entwicklung des in Heller und Pfennig gemessenen Privaten Verbrauchs hinwegzutäuschen. Zwischen den tatsächlichen – zumeist schwachen – Daten der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung zur Entwicklung des realen Privaten Verbrauches und dem in den vergangenen Jahren von der GfK häufig vorausgesagten Konsumanstieg klaffte in diesen Jahren jedoch zumeist eine deutliche Lücke. Auch im europäischen Vergleich schnitt Deutschland bzgl. der Entwicklung des Privaten Verbrauchs in den vergangenen Jahren sehr schlecht ab. Die Entwicklung des Privaten Verbrauchs in den europäischen Nachbarstaaten (insbesondere in den Krisenstaaten) verläuft auch und vor allem wegen der deutschen Dumpingpolitik (Lohn-, Sozial- und Unternehmensteuerdumping seit Ende der 90er Jahre) aktuell schlecht. Diese Dumpingpolitik hat nahezu alle übrigen Staaten der Eurozone (auch Frankreich) im preislichen Wettbewerb gegen die Wand gedrückt und ist somit ganz maßgeblich mitverantwortlich für die ökonomischen Schieflagen in Europa.

     

    Im Bericht des FR-Journalisten Thomas Magenheim heißt es zur Entwicklung von GfK- und Ifo-Index: "Ifo erwartet jedenfalls ein gutes Weihnachtsgeschäft." Ich frage mich, wie diese Aussage mit folgendem Beitrag aus dem heutigen Handelsblatt zusammenpasst: "Unzufriedene Händler: Dem Weihnachtsgeschäft fehlt der Glanz"

    http://www.handelsblatt.com/unternehmen/handel-dienstleister/dem-weihnachtsgeschaeft-fehlt-der-glanz/5977714.html

     

    In diesem Handelsblatt-Beitrag heißt es konkret: "Nach den vier Adventswochenenden ist der Einzelhandel mit dem Verlauf der Vorweihnachtssaison alles andere als zufrieden. „Die Halbzeitbilanz des bisherigen Weihnachtsgeschäfts fällt weiterhin gemischt aus“, erklärte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland (HDE), Stefan Genth. Der Knoten sei noch nicht geplatzt." Wieder einmal scheint zwischen der propagandistischen GfK-Welt und der Realität eine enorme Lücke zu klaffen!

     

    Bezüglich der aktuellen Entwicklung von GfK-und Ifo-Index möchte ich zudem folgenden Aspekt zu bedenken geben: Es darf vermutet werden, daß die aktuellen Umfrageergebnise sowohl bezüglich des GfK- als auch bezüglich des Ifo- Index kurz nach Beendigung des Euro-Gipfels erhoben wurden. Im Nachgang zu diesem Euro-Gipfel wurde von den deutschen Medien wieder einmal eine positive Merkel-Vermarktung betrieben. Merkel wurde in zahlreichen Medien als "Euro-Retterin" hochgejubelt. Durch diese euphorische Medienberichterstattung dürfte sowohl bei jenen Mitarbeitern in den Unternehmen, die für die Ifo-Fragebögen verantwortlich sind als auch bei den befragten Konsumenten kurzfristig der Eindruck erzeugt worden sein, als habe Merkel den Euro tatsächlich "gerettet". Man könnte in diesem Falle auch von einer "deutschen Selbst-Suggestion" sprechen, die spätestens dann wieder verfliegen wird, wenn die harten Realitäten des Lebens sichtbar werden, sprich: wenn offenkundig wird, daß Merkel mitnichten "den Euro gerettet hat". Die Stimmungsindikatoren (GfK und Ifo) enthalten somit - wie es in der Börsianersprache heißt - ein "Rückschlagspotenzial".

     

    Mein zweiter Leserkommentar:

     

    Hier noch eine Ergänzung zu meinem obigen Kommentar, und zwar den Ifo-Index betreffend: Ich bezweifle nicht, daß sich die deutsche Wirtschaft - insbesondere exportgetrieben - momentan besser entwickelt als in den übrigen Staaten der Eurozone. Denn durch die von mir in meinem vorangegengenen Kommentar beschriebene Dumpingpolitik sind die Kassen der deutschen (Export-)Wirtschaft zur Zeit prall gefüllt. Dies ermöglicht der deutschen Exportwirtschaft sowohl im Vergleich zu den übrigen Staaten der Eurozone als auch im Vergleich zu zahlreichen Staaten ausserhalb der Eurozone (wegen des aus Sicht der hiesigen Exportwirtschaft günstigen - weil niedrigen -Euro-Wechselkurses) ein erhebliches Preissenkungspotenzial zu Lasten jener Staaten, welche in den vergangenen Jahren an preislicher Wettbewerbsfähigkeit gegenüber der hiesigen Exportwirtschaft eingebüßt haben (v.a. die Krisenstaaten der Eurozone). Dies würde jedoch die ökonomischen Schieflagen innerhalb der Eurozone zu Lasten der europäischen Krisenstaaten weiter verschärfen, verbunden mit der Gefahr, daß uns der komplette Euro-Laden über kurz oder lang um die Ohren knallen wird. Dann wäre von heute auf morgen Schluss mit dem deutschen "Export-Wunder", denn die Wirtschaftsexperten gehen davon aus, daß in diesem Falle eine wieder eingeführte DM gegenüber dem Euro und gegenüber den übrigen Währungen um mindestens 30 Prozent aufwerten würde.

     

    Die in unseren Medien anklingenden überheblichen und selbstgerechten Jubelchöre (frei nach dem Motto: "Wir sind besser als die anderen") sind vor diesem Hintergrund unbegreiflich. Der selbsternannte europäische Musterschüler spielt mit dem Feuer!