Kommentar Koalitionsstreit: Merkels Wette
Die Nervosität wächst: Merkel legte sich öffentlich fest. Für sie sehr ungewöhnlich, und sie geht damit auch eine riskante Wette auf ihre politische Zukunft ein.
W er beim Streit über die Senkung der Mehrwertsteuer für Hotelübernachtungen den Überblick behalten will, muss gut aufpassen. Denn die bisherige Rollenverteilung hat sich aufgelöst. Der FDP-Wahlkämpfer Andreas Pinkwart aus Nordrhein-Westfalen will die Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Hotelübernachtungen, die seine Partei gerade erst durchgedrückt hat, rückgängig machen.
Andere FDP-Größen kritisieren ihren Parteifreund dafür so heftig, dass die Bundeskanzlerin etwas Ungewöhnliches tut: Sie legt sich öffentlich fest. Die Steuersenkung bleibt - basta!
Dies offenbart nicht nur die wachsende Nervosität innerhalb der Koalition ob ihres miserablen Starts. Merkel geht mit ihrer Festlegung auch eine riskante Wette auf ihre politische Zukunft ein. Die Kanzlerin wägt ab: Demonstrative Uneinigkeit, so ihr Kalkül, richte einen größeren Imageschaden an als das Geschenk der Koalition an die Hoteliers.
Matthias Lohre ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz, speziell für Gesundheits-, Sozial- und Rentenpolitik.
Doch es könnte ganz anders kommen. Denn die FDP hat noch weitere problematische Pläne - allen voran die geplante Einführung der Kopfpauschale in der gesetzlichen Krankenversicherung. Bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai wird der Ruf der Klientelpartei also an der FDP kleben bleiben. Damit aber gerät dort die Fortsetzung der Düsseldorfer CDU-FDP-Koalition in Gefahr. Schon heute liegt Schwarz-Gelb in Nordrhein-Westfalen bei deutlich unter 50 Prozent.
Geht Merkels Wette nicht auf, könnte dies ein weiteres Novum in der deutschen Parteienlandschaft zur Folge haben - und die erste schwarz-grüne Regierung in einem Flächenland bringen. Aber vielleicht käme dies der heimlichen Grünen-Sympathisantin im Kanzleramt ja gerade recht.
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