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Kommentar Kloster in der TürkeiKeine Christenvertreibung

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Die Aufregung der deutschen katholischen Kirche um das Gerichtsurteil gegen ein Kloster in der Türkei ist kontraproduktiv. Es geht um Land.

N euer Schlag gegen die Christen in der Türkei. Politisch motiviertes Vorgehen gegen christliche Minderheit“. Wer die Stellungnahmen der deutschen katholischen Kirche und der sogenannten Menschenrechtsexpertin der CDU, Erika Steinbach – von Haus aus Vertriebenenfunktionärin – in diesen Tagen zu einer Gerichtsentscheidung in der Türkei liest, muss annehmen, dass die Regierung von Tayyip Erdogan sich jetzt entschlossen hat, die letzten Christen zwischen Bosporus und Ararat zu vertreiben.

Dabei geht es um ein Gerichtsurteil, das zwar eine herbe Niederlage für eines der ältesten Klöster des Landes bedeutet, zunächst aber nicht die Ausübung des Glaubens betrifft, sondern einen Streit um Land. Einen Streit, den zumal nicht der türkische Staat entfacht hat, sondern die kurdischen Nachbarn des Klosters.

Keine Frage, der Regierung ist der Streit eher unangenehm. Man wollte und will gerade die entgegengesetzten Signale senden. Mit mehreren Gesetzen in den letzten Jahren wurde die Restitution von Liegenschaften, die den griechischen und armenischen Gemeinden vor Jahrzehnten weggenommen worden waren, ermöglicht, auch gegenüber den emigrierten syrisch-orthodoxen Christen hatten die Behörden vor Ort mehrfach erklärt, man würde ihre Rückkehr begrüßen.

taz
JÜRGEN GOTTSCHLICH

ist Türkei-Korrespondent der taz in Istanbul.

Das Urteil passt nicht dazu, und selbst wenn es Bestand haben sollte, kann man davon ausgehen, dass die regierende AKP dann nach einer politischen Lösung suchen wird. Denn bei aller Kritik an Erdogans Politik: Der bessere Umgang mit den christlichen Minderheiten und eine Anerkennung ihrer historischen Rolle in der Geschichte des Landes ist einer der letzten Punkte, an dem sich die kritische Intelligenz der Türkei und die Erdogan-Regierung noch einig sind. Weltuntergangsparolen aus Deutschland sind da eher kontraproduktiv.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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12 Kommentare

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  • M
    MYaman

    Hmm. Mal die Zahlen betrachtet: es geht um 26 Hektar Land. Inwieweit jetzt 3 Mönche (plus vielleicht 10 Bedienstete etc) verhungern müssen, die zudem unter dem Dach des weltweit reichsten Konzerns "Kirche" leben, möge mir bitte mal einer erklären. Das Geld für einen jahrelangen Rechtsstreit war ja schliesslich auch da.

     

    Solche Rechtsstreitigkeiten sind in diesen abgelegenen Regionen an der Tagesordnung, da es jahrhundertelang kein Grundbuchamt gab und die Grenzen mehr oder weniger "historisch" festgelegt waren. Ich bin 100%ig sicher, dass sich das Problem mit etwas finanziellen Aufwand leicht hätte aus der Welt schaffen lassen. Die Gegend ist bitterarm und "Land" sichert hier nicht nur das Überleben, sondern auch die gesellschaftliche Stellung. Aber mit einer Meldung "katholische Kirche schliesst einen Vergleich im Grundstücksstreit" lässt sich natürlich nicht so gut politisch verwursteln. Und einen objektiven Bericht habe ich bis heute leider nicht entdecken können. Der Fall wird sowohl von kirchlicher Seite als auch von türkischer Seite instrumentalisiert. Im übrigen ist es die angeblich "sozialdemokratische" CHP, die nun zum dritten Mal am Gesetz für den Immobilienbesitz von Ausländern rüttelt - Begründung "Überfremdung der türkischen Erde" na denn...

  • FE
    Frau Edith Müller

    In Schland geht es doch auch nur um Land. Um unseres. Ich will es für meine Kinder und Kindeskinder erhalten und nicht den Türken, Kurden, Arabern und all den anderen Ausländern schenken resp. abtreten müssen, nur weil die hier zu Hunderttausenden reindrücken, Großfamilien und Importehegatten nachholen. Wenn ich dieses den Ausländern gar nicht erst geben will, bin ich Nazi. Was bin ich erst, wenn ich es mal zurück haben will? Doppelnazi? Was sind jetzt die Türken für die Christen in der Türkei?

  • S
    Sukram

    Hier geht's doch nicht um Recherche, Herr Bender, sondern darum, die Realität so zurechtzubiegen, dass sie in's eigene Weltbild passt. Und wenn dabei die Menschenrechte draufgehen- "Man muss halt Opfer bringen", und Christen sind sowieso meistens an allem selber schuld- Kreuzzüge und so. Was wollen die da überhaupt in einem Islamischen Land- provozieren?

     

    Die Restchristen dort haben sich natürlich auf natürliche Weise selbst dezimiert, und der Herr Erdogan hat mit dem Islam selbstverständlich nur am Rande zu tun.

  • CB
    Chris B.

    Hier ist die Herabwürdigung des Papstes nicht so schlimm, dort die Enteignung der Christen eigentlich nur ein gutgemeinter Hinweis darauf, dass sie doch eigentlich"willkommen" seien...und so weiter...die anti-christliche Mainstream-Sauce gibts bei der taz heute zum Mittagessen...

  • C
    Christoph

    Leider wir doch sehr mit zweierlei Maß gemessen.

     

    Unrecht, welches Christen auf der ganzen Welt wiederfährt wird hingenommen. Wird jeoch in einem christlichen geprägtem Land zum Beispiel Muslimen Unrecht getan, ist die Aufregung auch bei dieser Zeitung groß. Schade!

     

    Angehörige aller Religionen sollten in ihren Rechten gleich behandelt werden und Verstöße gegen diese Rechte sollten von den Intellektuellen dieser Welt mit gleichem Maß beurteilt werden.

  • DB
    Die bösen Türken

    @Kürtchen

     

    Schon klar, solange keine Artikel über bösartige fiese Türken kommen, müssen ja alle anderen mies bis schlecht recherchiert sein, gell.

     

    Is aber typisch Doisch, dass man nicht mal zwischen "Artikel" und "Kommentar" unterscheiden kann (selbst wenn's auf doisch drüber steht)- schließlich zählt ja nur die eigene bePIsste Meinung ...

  • SZ
    Stimme zu

    im Gegensatz zu meinem Vorkommentator halte ich die Aussagen in dem Artikel fuer glaubhaft. Es ist unbestreitbar dass die Regierung Erdogan mehr fuer die Gleichberechtigung christlicher und anderer (Kurden) Minderheiten getan hat als alle vorherigen Regierungen seit vermutlich dem 19 Jahrhundert..

  • K
    Kaboom

    Und nun warten wir alle gespannt auf den inzwischen unvermeidlichen Shitstorm, der immr ausbricht, wenn in irgend einem Medium ein Artikel erscheint, der irgend etwas mit Muslimen zu tun hat, und der nicht den Tenor hat, "die Muslime sind an allem Schuld, und wollen uns alle islamisieren".

    Und - zack - geht schon los.

  • B
    Beteigeuze

    Natürlich hat der Umstand, daß es sich um ein christliches Haus handelt, überhaupt keinen Einfluß auf den Hergang.

    Die ganze Sache wäre genau so abgelaufen, wenn es sich um eine Moschee gehandelt hätte.

     

    Is' klar, oder?

  • JS
    Jürgott Schlichgen

    Die Türkei, die Türkei hat immer recht!

  • A
    AchNeli

    Es geht nicht um Land, sondern um die Christenverfolgung. Das Kloster ist über 1600 Jahre alt. Dem Kloster wurden auch der traditionelle Religionsunterricht verboten. Zeitweise die Beherbergung von Gläubigen, der Abt wurde entführt, drei Gemeinden verklagen mit AKP Unterstützunge das Kloster auf Enteignung seiner Grundbesitzes. Die Enteignung würde den Ruin des Klosters beschleunigen.

    Nach Innen vertritt die Regierung Erdogan ein harte antichristliche Politik, zu der auch das Verbot der Priesterausbildung der orthodoxen Kirche in der Türkei gehört und ein faktisches Missionsverbot für Christen.

  • KB
    Kurt Bender

    Herrjee, was für ein wirrer und mies recherchierter Artikel. Da werden Angehörige einer Religionsgemeinschaft (Christen), eines Volkes (Kurden) und der türkische Staat irgendwie zusammengeschwurbelt.

    Die Nachbarn des Kloster Mor Gabriel sind nun also Kurden - Mhallami oder Aramäer existieren wohl nicht mehr. Und die Behauptung, türkische "Behörden" (welche denn?) würden die Rückkehr emigrierter Christen begrüßen, ist ja wohl lachhaft. Es geht doch gerade darum, dass durch die legalisiertenen Enteignungen - von denen übrigens keine Kurden-Nachbarn, sondern einzig der türkische Staat profitiert - nicht nur dem Kloster, sondern Vielen die Existenzgrundlage (landwirtschaftliche Flächen) politisch motiviert genommen wurde und wird. Eine Umkehr der türkischen Poltik ist nicht zu erkennen. Sollte Herr Gottschlich hier belastbare neue Erkenntisse haben, wäre das vielleicht mal einen Artikel wert.