Kommentar Kirchentag: Wortdurchfall in Dresden
Würden doch einfach alle mal die Klappe halten. Aber das geht nicht, denn das Wort des Herren ist allgegenwärtig. Gott erhebt Einspruch wie ein schmieriger Anwalt.
D RESDEN taz Vielleicht müsste man so einen Kirchentag einfach auf "stumm" schalten können. Oder wenigstens einen der fünf Tage zum "Tag der Möglichkeit der inneren Einkehr" oder so erklären, und dann halten einmal alle die Klappe. Aber das geht nicht, weil unter Christen ja von "Gottes Wort" die Rede sein muss, nicht von Gottes beredtem Schweigen.
"Wir müssen reden", hat Kirchentagspräsidentin Katrin Göring-Eckardt dieses Dilemma denn auch schön auf den Punkt gebracht. Was folgt, ist das altbekannte, windelweichgespülte Protestantengewäsch, das niemandem wehtun und "alle mitnehmen möchte", die Senilen, Juvenilen und Debilen, damit diese Randgruppen "im Dialog" endlich "ein Stück weit" zueinanderfinden. Aber immer und alles nur "ein Stück weit" und nicht weiter, wo kämen wir sonst hin?
Allüberall wird deshalb an metaphorischen"Brücken gebaut" zwischen irgendwelchen Gegensätzen, "Achtsamkeit" wird "eingefordert" und vor allem: "Wertschätzung", so wie der Jugendliche mit Migrationshintergrund alle naslang "Respekt" einfordert. Denn die Wertschätzung ist das Schmiermittel des marshmellowhaften Miteinanders, wie es sich der Christenmensch vorstellt.
Nur so ist ein "Leben in Fülle" oder auch Tiefe, je nachdem, möglich. Ständig müssen "die Kirchen" etwas "hinterfragen", wo sie eigentlich fordern müssten, während Gott "Einspruch erhebt" wie ein schmieriger Anwalt. Christ sein, lernen wir, bedeute unter anderem "hören, zuhören und dazugehören dürfen". Allen anderen läuft Blut aus den Ohren. Ein Wunder?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands