Kommentar Kinderporno-Verdacht: Abgeordnete sind keine Polizisten

Möglich, dass SPD-Politiker Jörg Tauss wirklich nur auf eigene Faust ermitteln wollte - doch er wurde nicht gewählt, um Kinderpornoringe zu sprengen.

Im Internet wucherten die Verschwörungstheorien. Nachdem die Büros und Wohnungen des SPD-Abgeordneten Jörg Tauss nach Kinderpornos durchsucht worden waren, mutmaßten einige: Hier soll ein Datenschützer und Gegner der Online-Durchsuchung weggeräumt werden. Der Verdächtigte und sein Anwalt befeuerten diese Theorien. Tauss Rechtsbeistand verwies vieldeutig darauf, dass der Fall im Immunitätsausschuss unter der Leitung des Schwiegersohns von Innenminister Schäuble behandelt wurde. Dessen Lieblingsprojekt ist bekanntlich das BKA-Gesetz, gegen das Tauss als einer von wenigen SPD-Abgeordneten gestimmt hatte. Tauss brachte eine mögliche "Revanche" aus der Kinderpornoszene ins Gespräch.

Inzwischen weiß man: All diese Theorien sind Unfug. Tauss hat zugegeben, dass er sich unter dem Decknamen "Werner" Kinderpornos beschafft hat. Er hat dafür Geld bezahlt und das Material in einem Koffer in seiner Wohnung gehortet. Der Abgeordnete begründet das damit, dass er als Internetexperte seiner Fraktion einen Einblick in die Vertriebswege der Szene bekommen wollte - unabhängig von den Behörden, denen er misstraut. Mehr noch: Einen ganzen Kinderpornoring wollte er nach eigenen Angaben ausheben. Doch abgesichert hat Tauss ein solches Vorgehen nirgendwo.

Wie sein Handeln strafrechtlich zu bewerten ist, wird sich erst in mehreren Monaten klären. Aber schon jetzt ist klar, dass Tauss politisch am Ende ist. Selbst wenn er ein rein berufliches Interesse an den Kinderpornos hatte, ist es nicht Aufgabe eines Abgeordneten, als Undercoverfahnder im Dreck zu wühlen. Muss sich ein Außenpolitiker in ein Terrorcamp einschleusen, um seine Arbeit machen zu können? Sollte ein Drogenpolitiker heimlich Heroin kaufen, um den Drogenmarkt zu verstehen?

"Ich habe Mist gebaut", hat Tauss eingeräumt. Das ist richtig. Nur hat er daraus noch nicht die Konsequenzen gezogen. So sympathisch einem Tauss wegen seiner Haltung zum BKA-Gesetz und zum Datenschutz sein mag - er wurde nicht gewählt, um Kinderpornoringe zu sprengen. Tauss sollte den Bundestag verlassen.

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Jahrgang 1979. War bis 2013 in der taz zuständig für die Themen Rechtsextremismus, Terrorismus, Sicherheit und Datenschutz. Wechsel dann ins Investigativressort der Wochenzeitung „Die Zeit“.

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