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Kommentar Kinder am ExistenzminimumFördern, nicht fordern

Gareth Joswig
Kommentar von Gareth Joswig

Kinder sind in Deutschland ein Armutsrisiko. Verheiratete ohne Kinder sind gesellschaftliche Gewinner. Das muss so nicht sein.

„Kinder sind unsere Zukunft“ – nur eine hohle Phrase aus der Bildungspolitik? Foto: dpa

W as sagt es über Deutschland aus, wenn jedes siebte Kind am Existenzminimum aufwächst? Die Bundesrepublik könnte es sich locker leisten, anständige Arbeitslosenunterstützung zu zahlen. Insbesondere sollte sie das für alleinerziehende Eltern und Familien am Existenzminimum tun.

Stattdessen zieht das Jobcenter Kindergeld von der Grundsicherung ab und Jobvermittler dürfen bei Verstößen gegen Auflagen das Existenzminimum von Familien zusammenkürzen. Welches Menschenbild liegt dieser sanktionsbasierten Arbeitslosenhilfe zugrunde?

Das größte Armutsrisiko in Deutschland tragen seit Jahrzehnten alleinstehende Frauen. Damit betrifft Armut genau die Gruppe, die am dringendsten Unterstützung bräuchte. „Kinder sind unsere Zukunft“ ist eben nicht nur eine hohle Phrase aus der Bildungspolitik.

Alleinstehende mit Kindern sind aufgrund von Erziehungsarbeit besonders oft auf Grundsicherung angewiesen. So geraten Millionen Menschen unverschuldet in den Leistungsbezug. Sie sind nicht arbeitsunwillig, aber dennoch unzureichend abgesichert. Ganz zu schweigen von ihren Rentenaussichten.

Der Mensch braucht zur Entfaltung ein Grundmaß an finanzieller Unabhängigkeit

Es bedarf einer sanktionsfreien Grundsicherung, insbesondere dort, wo Kinder groß werden. Denn nach einem zeitgemäßen Menschenbild, fernab von sozialdarwinistischen Ansichten einer neoliberalen Wirtschaftslogik, braucht der Mensch zur Entfaltung zuerst die Förderung, also ein Grundmaß an finanzieller Unabhängigkeit und Sorglosigkeit. Nicht eine hohle Forderung nach dem Motto „Arsch hoch“, wie Goldkettchen-Sozialdemokrat Gerhard Schröder sie dachte. Alleinstehende kommen meist gar nicht erst dazu, sich hinzusetzen.

Kinder sind in Deutschland ein Armutsrisiko. Verheiratete „Dinks“ (Double Income, No Kids) sind gesellschaftliche Gewinner. Und Demografen wundern sich über Deutschlands rückläufige Geburtenrate.

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Gareth Joswig
Redakteur Inland
Arbeitet seit 2016 als Reporter und Redakteur bei der taz. Zunächst in den Lokalredaktionen von Bremen und Berlin, seit 2021 auch im Inland und Parlamentsbüro. Davor Geschichts- und Soziologiestudium. Themenschwerpunkte: extreme Rechte, AfD, soziale Bewegungen, Mietenpolitik, dies, das, verschiedene Dinge.
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10 Kommentare

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  • Es "bedarf" nicht nur einer sanktionsfreien Grundsicherung - sie ist ein verdammtes Grundrecht!

     

    Das Recht auf ein soziokulturellen Existenzminimum gilt in Deutschland als essentieller Bestandteil der Menschenwürde des Einzelnen - und hat somit Verfassungsrang:

     

    "Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind."

    http://www.bverfg.de/entscheidungen/ls20100209_1bvl000109.html

     

    Also:

     

    Kürzungssanktionen sind grundgesetzwidrig.

     

    Das Existenzminimum von Kindern auf das Existenzminimum der Eltern anzurechnen ist verfassungswidrig.

     

    Parteien, die das GG derart mit Füßen treten, gehören schnellstmöglich abgewählt. Es sind diese Parteien, die die Verfassungsfeinde rechtsaußen (AfD und Co.) durch ihre verfassungsfeindliche Politik massiv mitzüchten.

    • @Der Sizilianer:

      Das Problem: Wo kein Kläger - da kein Richter. Wenn alle ausreichend damit beschäftigt sind über die Runden zu kommen, bleiben weder Geld noch Zeit zu klagen. Da kann sich die Politik ungestört betätigen.

      • @noevil:

        Nein, aus Sicht der Regierung klagen ja gerade zu viele (die dann auch meist noch Recht bekommen, allerdings erst Jahre später).

         

        Damit die Beklagten (Kommunen) dann nicht nach Jahren den Klägern (Antragsteller) Nachzahlungen überweisen müssen, soll genau das nun rechtswidrig unter dem Namen "Rechtsvereinfachung" nach Vorstellung von Frau Nahles geändert werden. Siehe auch hier http://www.taz.de/Neuregelungen-von-Hartz-IV/!5304931/

  • Wir leben in einer Demokratie. 80% machen ihr Kreuz bei den Parteien, die diese Gesetze mitgetragen haben.

     

    Also ist alles in Ordnung.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Welches Menschenbild liegt dieser sanktionsbasierten Arbeitslosenhilfe zugrunde?"

     

    Ich kann mich noch an die Hochzeiten der HartzIV-Propaganda erinnern und zahlreiche Sendungen mit den reißerischen Titeln (z.B. „Arm durch Arbeit, reich durch Hartz IV?“) in denen die Mehrausgaben für Kinder als sinnlos dargestellt wurden, weil die Eltern das Geld sowieso für Alkohol und Zigaretten ausgeben.

    Das Bild hält sich hartnäckig und wird ab und dann medial gezielt bestätigt.

  • "Stattdessen zieht das Jobcenter Kindergeld von der Grundsicherung ab"

     

    Und nicht nur das: Wenn die Kinder (durch Unterhalt und Kindergeld) mehr "Einkommen" haben als einem bedürftigen Hartz-IV-Kind zusteht (ist ja nicht viel), dann kann und wird das Kindergeld bis zum Hartz-IV-Satz auf das entsprechende Elternteil im Haushalt angerechnet.

     

    Sprich: Die Kinder "zahlen" dann das Essen der Mutter mit dem Kindergeld.

     

    Ganz legal, ganz offziell. Nur kaum einer weiß es...

     

    So werden Kinder zu Hartz-IV-Kindern gemacht, nur weil das betreuende Elternteil noch nicht mal für sich genug Einkommen erwirtschaften kann.

  • "Kinder sind in Deutschland ein Armutsrisiko."

     

    Ich wundere mich nur, dass jene unter meinen Kollegen, die Kinder haben, sich die dickeren Autos und die schöneren Häuser leisten können.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Sind Sie sicher zu wissen, wieviel an Schulden dahinter stecken und wie gut die Leute damit schlafen?

      • @noevil:

        Im Übrigen kann sich, wer deswegen schlecht schläft, ja ein kleineres Auto und ein bescheideneres Haus zulegen.

      • @noevil:

        Och, denen merkt man keine großen Sorgen an. Sind immer gut drauf und wissen auch alles ganz, ganz genau.