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Kommentar Kenias neue RegierungKoalition der Raffgier

Kommentar von Marc Engelhardt

Kenia hat eine neue Regierung, deren Posten allerdings weiterhin das alte Personal bekleidet. Gebraucht hätte das zerissene Land einen echten Neuanfang.

M an würde Kenias Präsidenten Mwai Kibaki und seinem neuen Premierminister Raila Odinga gerne gratulieren - alleine deshalb, weil sie es zum Schluss überhaupt noch geschafft haben, sich zusammenzuraufen. Nach den Unruhen vom Jahresanfang mit mehr als 1.000 Toten und den Vertreibungen von Hunderttausenden ist eine gemeinsame Regierung der beiden bislang unerbittlichen Gegner zweifellos ein Wert an sich. Doch es hätte mehr gebraucht: einen politischen Neuanfang für das immer noch zerrissene Land.

Den aber verkörpert das neue Kabinett nicht, im Gegenteil. Auf den wichtigen Posten sitzen weiterhin die Männer, die Kenia schon seit Jahrzehnten regieren. Frauen muss man am Kabinettstisch mit der Lupe suchen. Viele Minister sind für die Ausschreitungen vom Jahresanfang verantwortlich und werden dank ihrer Immunität niemals zur Rechenschaft gezogen werden - das hat in Kenia Tradition. Doch allem voran ist es die schiere Monstrosität der Regierung mit ihren 96 politischen Spitzenbeamten, die den Fehlstart dieser Regierung verkörpert wie nichts sonst.

Kibaki und Odinga sind Politiker vom alten Schlag. Mit ihren Ernennungen bedienen sie ihre Seilschaften, begleichen politische Schuldscheine und versorgen die ihnen zugewandten Volksgruppen. So beginnt die Regierung der Einheit mit dem gleichen Fehler, der zu den Morden zwischen den Ethnien führte. Statt dem ganzen Land zu dienen, dient jeder Minister seiner Ethnie, seinen Freunden, seiner Familie. So wird Kenia auch in Zukunft ein Selbstbedienungsladen der Elite bleiben.

Wegen der enormen Gehaltskosten in 40 Ministerien wird es weniger zu verteilen geben als je zuvor. Das wird neuen Neid, Missgunst und ethnische Spannungen schüren - zumal die aufgestauten Erwartungen größer sind als je zuvor. Wenn dieser Geburtsfehler nicht schnell behoben wird, dann könnte Kenia bald wieder dort stehen, wo es schon vor ein paar Wochen war: am Abgrund.

Die Tatsache, dass nur einen Tag nach der Kabinettsvorstellung auf Kenias Straßen wieder gekämpft wird, sollte zu denken geben. Nein, gratulieren kann man zu dieser großen Koalition der Raffgier nicht.

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