Kommentar Kenia: Ein Land außer Kontrolle
Krichen werden abgebrannt, Passanten nach Ethnie selektiert und umgebracht - Kenia steht am Rande eines Bürgerkreigs. Das Land benötigt dringend internationale Vermittlung.
P olitische Gewalt und ethnische Vertreibungen gab es in Kenia schon oft. Was aber jetzt in Reaktion auf Präsident Mwai Kibakis Wahlfälschung passiert, hat eine neue Qualität. Ein Kirchengebäude wird abgebrannt, die Besucher werden ermordet. Milizionäre sortieren Passanten auf Landstraßen nach Ethnie und lassen nur ihre eigenen Volksgenossen am Leben. So hat 1994 der Völkermord in Ruanda begonnen.
DOMINIC JOHNSON ist Afrikaexperte der taz.
Der Genozid-Vorwurf, den die diskreditierte "wiedergewählte" Regierung Kenias jetzt gegen die um ihren Wahlsieg betrogene Opposition erhebt, ist dennoch wenig hilfreich. Die Regierung will damit einfach von ihrem eigenen Wahlbetrug ablenken. Sie ergreift auch keinerlei aktive Maßnahmen gegen den angeblichen Völkermord, wie zum Beispiel einen Armeeeinsatz gegen die Milizen. Und sie lehnt jede internationale Vermittlung unter dem Hinweis ab, Kenia befände sich "noch nicht in einer Somalia-artigen Situation", wie es ein Minister optimistisch formulierte.
Internationale Vermittlung ist aber wohl das Einzige, was das Abgleiten Kenias in einen brutalen ethnischen Bürgerkrieg noch verhindern kann. Eine international überwachte Neuauszählung der Stimmen zur Wahl vom 27. Dezember ist der zwingende erste Schritt zur Beilegung der Krise. Aber er kann nicht der einzige bleiben, denn eines der beiden politischen Lager wird sich am Schluss betrogen sehen. Wie werden wohl Milizen von Kibakis Kikuyu-Volk reagieren, wenn erst systematisch Kikuyu gejagt werden und "ihr" Präsident dann auch noch zurücktreten muss?
Egal wer aus dieser Krise als Sieger hervorgeht - er muss etwas für den Schutz der Menschen tun, und zwar unabhängig von ihrer Ethnie. Derzeit schieben beide Seiten die Schuld an der Gewalt komplett auf den Gegner. Wer legitim und verantwortungsbewusst regieren will, muss aber selbst Verantwortung übernehmen. Es wird nicht leicht sein, den abgrundtiefen ethnischen Hass wieder abzubauen, der sich in Kenia angestaut hat und der sich jetzt in so brutaler Weise äußert. Aber das muss jetzt das vorrangige Ziel sein. So schnell, wie aus Kenias Wahl Kenias Krieg geworden ist, bleibt nicht mehr viel Zeit.
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