Kommentar Kenia: Eine vorerst geglückte Vermittlung
So optimistisch wie am Tag nach Annans Behandlungserfolg waren die Kenianerinnen und Kenianer seit Monaten, vielleicht seit Jahren nicht mehr.
Noch vor ein paar Tagen galten die Überlebenschancen des schwer angeschlagenen Patienten als so gering, dass niemand auf eine Genesung gewettet hätte. Das an innerer Zerrissenheit, schwärendem Machthunger und politischen Lähmungserscheinungen leidende Kenia wurde von vielen schon als Neuzugang auf dem Friedhof der afrikanischen Demokratien gesehen. Dass der ehemalige UN-Generalsekretär Kofi Annan dennoch nicht aufgab und weit mehr als einen Monat lang mit kaum nachvollziehbarer Gelassenheit täglich aufs Neue operierte, hat sich jetzt ausgezahlt. Der ehemalige UN-Generalsekretär hat es gegen alle Wahrscheinlichkeit geschafft, den Kenianern Hoffnung zu geben.
Gewiss, ob die gefundene Einigung das Land nachhaltig befriedet, ist noch längst nicht ausgemacht. Schließlich werden genau diejenigen künftig Macht erhalten, die Kenia zuvor mit Hass und Egoismus infiziert haben. Selbst über die Ursachen der Gewaltausbrüche sind Präsident Mwai Kibaki und sein Widersacher Raila Odinga sich nicht einig - wie genau sollen sie da gemeinsam zwischen den Volksgruppen vermitteln können? Kofi Annans Vermittlung mag vorläufig geglückt sein, doch Kenia ist noch längst nicht über den Berg: Die Wirtschaft steht kurz vor dem Kollaps, die Hauptschlagader des Landes von Mombasa bis zur Grenze nach Uganda ist von Milizen und Banditen blockiert, die Stimmung zwischen den Volksgruppen ist nachhaltig vergiftet.
Doch all das spielt für den inneren Frieden des Landes vorerst nur eine geringe Rolle. Wichtiger ist derzeit die gefühlte Lage, der Stimmungsumschwung der Bevölkerung. So optimistisch wie am Tag nach Annans Behandlungserfolg waren die Kenianerinnen und Kenianer seit Monaten, vielleicht seit Jahren nicht mehr. Dass alle Kenianer, gleich welcher Ethnie, kollektiv aufatmen, könnte den Beginn des ersten wirklichen Heilungserfolgs markieren.
Über die Wirksamkeit von Kofi Annans Einsatz kann man trefflich streiten. Doch selbst wenn seine erreichte Einigung auf die Machtteilung sich nicht als tragfähig erweisen sollte - vorerst hat sie Kenia geholfen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!