Kommentar Karsais Kabinett: Falsch gebaute Institutionen
Das Nationbuilding in Afghanistan scheitert, weil die demokratischen Institutionen falsch aufgebaut wurden.
Was auf den ersten Blick wie ein Misserfolg Karsais aussieht, bringt den afghanischen Präsidenten eher nach vorn. Scheibchen für Scheibchen, in der für ihn charakteristischen Salamitaktik, setzt er jene Kabinettskandidaten im störrischen, mangels Fraktionszwang schwer berechenbaren Parlament durch, die ihm wirklich wichtig sind. Das sind vor allem Konservative mit Rückhalt bei den Warlords.
Das sehr gemischte Resultat der Abstimmung über das neue Kabinett reflektiert eine Grundschwäche der post-talibanischen Staatsinstitutionen Afghanistans: ihre Strukturlosigkeit. Dem Parlament fehlt etwa ein ordentliches Budget. Vor allem aber verhindert das Fraktionsverbot, dass sich Abstimmungsmuster herausbilden können. Das ist Karsai nur recht, denn so lässt sich leichter manipulieren.
Im Ergebnis werden die Abgeordneten zwischen demokratischer Selbstbehauptung und den Verlockungen angebotener Bakschischs hin und her gerissen - Geldgeschenke oder Versprechen der Minister, hinterher Verwandte oder Verbündete mit Posten und Pöstchen zu bedenken. Doch ab und zu nimmt der Frust der Parlamentsmehrheit über die jahrelange Marginalisierung durch Karsai überhand und verbindet sich mit der geballten Ablehnung der Anhänger Dr. Abdullahs, die bei der Präsidentenwahl im August ausgetrickst wurden, und auch mit dem Ringen nicht gekaufter Liberalen, die endlich Kompetenzkriterien bei der Kabinettsauswahl durchsetzen wollen.
Das birgt vielleicht einen Hoffnungsschimmer, nämlich dass demokratische Kräfte langfristig doch an Gewicht zulegen können, einfach weil sie überzeugender die tiefe Enttäuschung der Afghanen "auf der Straße" reflektieren.
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