Kommentar: Kaija Kutter über den Bremer Polizeieinsatz: Abkühlung tut not
Die Nachrichtenlage der vergangenen Tage macht viele ratlos. Es war erfreulicher Weise ein Fehlalarm in Bremen, aber wenige Tage zuvor in Würzburg, Ansbach und München eben nicht. Sensibilisiert wie die Polizei ist, ging sie vom Schlimmsten aus und evakuierte ein großes Einkaufszentrum.
Dabei stellt es sich nun als Situation heraus, wie sie nicht selten vorkommen dürfte. Ein junger Mann fühlt sich bedrängt, rastet aus, läuft weg, droht seinem Gegenüber mit schlimmen Übel, was, wie er hinterher sagt, nicht wörtlich gemeint war. Die Polizei gibt Status und Nationalität des Jugendlichen bekannt, und dass er sich zum Münchner Attentat und dem IS geäußert habe. Die Information wird blitzschnell verbreitet und passt scheinbar ins Raster.
Dabei wird nicht nur Panik, sondern auch Aufmerksamkeit für Nachahmer generiert. Unsere Mediengesellschaft befindet sich bekanntlich in einem Dilemma: Die Zeit, Informationen zu verifizieren und zu gewichten, fehlt. Würde nicht berichtet, machten Bilder und Nachrichten vom geräumten Einkaufscenter über soziale Medien trotzdem schnell die Runde und der Vorwurf der Vertuschung läge in der Luft. Nachrichtensperren sind kaum möglich.
Und doch gibt es andere Felder, in denen die Polizei die Pressearbeit durchaus anders steuert. Über Suizide zum Beispiel, hört man von der Hamburger Polizei, gibt sie keine Meldungen heraus. Und sehr restriktiv gehe sie auch mit Meldungen über brennende Autos um. Seit die Zeitungen nicht mehr jeden Tag groß, bunt und in Farbe berichten, sondern etwas kleiner, habe die Zahl der Brände abgenommen.
Die Polizei sollte so sachlich wie möglich, so detailliert wie nötig berichten. Also auch vorsichtig sein, mit der Nennung von Terrorverdacht und Bezügen zum Islamischen Staat. Die gegenwärtige hohe Aufmerksamkeit wird vermutlich nur durch Gewöhnung oder Abnutzung wieder zurückgehen. Wer privat eine Pause davon braucht, sollte weniger häufig auf sein Smartphone schauen.
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