piwik no script img

Kommentar: Kai von Appen über das Ende des GutscheinsystemsWort gehalten

Kommentar von Kai von Appen

Eine klare Anweisung zur Barauszahlung von Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius wäre sinnvoll gewesen, sein Erlass ist dennoch ein Meilenstein in Sachen Humanität

N iedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) hält sein Wort: Nur wenige Wochen nach seinem Amtsantritt hat er das umstrittene Gutscheinsystem gekippt. In einer Anweisung stellt er es nun den niedersächsischen Landkreisen und kreisfreien Städten anheim, Sozialleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz in Bargeld oder als Wertgutscheinen auszuzahlen. Der Erlass lässt nun beides zu.

Mit dem Fall des repressiven Diktates von Vorgänger Uwe Schünemann (CDU), der durch das Gutscheinsystem Flüchtlinge von einer Einreise in die Bundesrepublik abschrecken oder ihnen ihren Aufenthalt im Lande vermiesen wollte, geht nicht nur eine Ära menschenverachtender Flüchtlingspolitik neoliberaler Prägung vorbei. Es könnte zugleich auch der Anfang sein, diese diskriminierende und verfassungsbedenkliche Praxis in Gänze im Lande ad acta zu legen.

Dafür müssten aber alle Kommunen mitziehen. Denn es ist inhuman, wenn Flüchtlinge irgendwo weiterhin Nahrungs- und Unterhaltsmittel gegen diese Gutscheine eintauschen müssen – und dann an der Kasse von der Kassiererin entwürdigend ermahnt werden, dass es ein preiswerteres Produkt gebe. Darum wäre eine klare Handlungsanweisung – wie vom Flüchtlingsrat gefordert –, nur in seltenen Ausnahmefällen von der Bargeldauszahlung abzuweichen, sinnvoll gewesen. Pistorius’ Erlass ist dennoch ein Meilenstein in Sachen Humanität.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Hamburg-Redakteur
Jahrgang 1956, Seit 1983 bei der taz – zuerst bei der taz.hamburg und jetzt bei der taz.nord in Hamburg. Ressorts: Polizei, Justiz, Betrieb und Gewerkschaft. Schwerpunkte: Repression, progressive Bewegungen und Widerstand gegen Gentrifizierung
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!