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Kommentar KäßmannProtestantische Selbstbestrafung

Ines Kappert
Kommentar von Ines Kappert

Katholiken können für ihre Fehltritte büßen, Protestanten hingegen übernehmen lebenslänglich die Verantwortung für ihre Aussetzer – so auch Käßmann.

O h je, diese Protestanten! Margot Käßmann war beliebt und respektiert, ihre Stimme wurde gehört. Doch jetzt hat sie sich zur nächtlichen Stunde verantwortungslos verhalten, betrunken fuhr sie Auto. Unbarmherzig gegen sich selbst reagiert sie auf ihren Fehltritt und tritt zurück.

Aus protestantischer Sicht liegt der Schritt nahe: Katholiken machen Fehler, Protestanten haben sie. Erstere können für ihre Fehltritte büßen - das heißt auch, sie können mit ihnen leben und sie auch mal vergessen, selbst wenn es sich um so gravierende Vergehen wie Mißbrauch handelt. Protestanten hingegen übernehmen lebenslänglich die Verantwortung für ihre Aussetzer - zumal, wenn sie Vorzeigeprotestanten sein wollen. Und das wollte Käßmann natürlich. Und dann ist sie auch noch eine Frau. Die zerknirschen sich gerne mal, wenn sie hinter Erwartungen zurückbleiben.

Aber welche Rolle spielt das Geschlecht hier überhaupt? Klar, einerseits gab es bei vielen Freunden der Emanzipation die heimliche Freude: Unter uns gesagt, ist doch super! Endlich auch mal eine Würdenträgerin, die sich daneben benimmt. Andererseits, und diese Lebensweisheit wiegt schwerer: Wer trinkt und Geld hat, nimmt sich ein Taxi. Alle anderen laufen zurück oder übernachten eben außer Haus. Käßmann ist alt genug, das zu wissen. Wie also hätte sie demnächst das Fehlverhalten der ihr Anvertrauten und aller anderen Deutschen kritisieren, wie sie zur Ordnung und zur Vernunft rufen können?

taz

Ines Kappert leitet die Meinungsredaktion der taz.

Diese Gratwanderung wäre ein Experiment wert gewesen. Denn Käßmann wurde ernstgenommen - nicht zuletzt, weil sie im Leben zu stehen schien, sich fehlbar zeigte und Mut bewies. Sofort nach ihrer Amtsübernahme kratzte die geschiedene Frau an Tabus. Ihre moralische Kritik am deutschen Afghanistan-Einsatz appellierte erfolgreich an das längst vergessene schlechte Gewissen der Deutschen. Käßmann positionierte die evangelische Kirche in der Öffentlichkeit innerhalb ihrer ersten acht Wochen deutlicher als Wolfgang Huber in seinen sechs Amtsjahren.

Entsprechend forderten auch nur die konservativen Medien wie Die Welt gleich nach Bekanntwerden des Vorfalls ihren Rücktritt. Ihnen war die Kämpferin schon lange lästig. Doch offenkundig überwog bei Käßmann der Drang zur Selbstbestrafung die Frage, ob der Druck von außen auszuhalten gewesen wäre. Schade.

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Ines Kappert
Gunda-Werner-Institut
leitet seit August 2015 das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.   Mich interessiert, wer in unserer Gesellschaft ausgeschlossen und wer privilegiert wird - und mit welcher kollektiven Begründung.   Themenschwerpunkte: Feminismus, Männlichkeitsentwürfe, Syrien, Geflüchtete ,TV-Serien.   Promotion in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft zu: "Der Mann in der Krise - oder: Konservative Kapitalismuskritik im kulturellen Mainstream" (transcript 2008).   Seit 2010 Lehrauftrag an der Universität St. Gallen.
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31 Kommentare

 / 
  • WB
    willi bald

    Oh je, Frau Kappert, so ein Kappes, den Sie da ablassen: Keine Ahnung von nichts und schon gar nicht von den Dingen, die Frau Dr. Käßmann als evangelische Christin vertritt. Barmherzig ist sie mit sich, statt sich selbst bestrafend, da sie, wenn auch auf schmerzliche Weise, erfahren hat, wie sehr offensichtlich Amt und Leben auf ihr lasten. Sich rausnehmen zu können, das ist eine große Leistung und eine würdige Haltung. Genau darin, Ironie der traurigen Entwicklung, ist sie mehr Vorbild als mancher hochgejubelter Heiliger. Ich bin Katholik (auch mit Leib und Leben) und bedaure gerade deshalb, dass die Ex-Bischöfin uns nicht erhalten geblieben ist. Sie ist und bleibt ein mutiges Signal für eine in sich verkrustete Kirche, die protestantische nicht weniger (wenn auch auf andere Art und Weise) als die katholische. Bei Ihrer Rücktritts-Erklärung waren ihre vier Töchter zugegen, denen die Mutter ausdrücklich dankte, dass sie so eng zu ihr stehen und ihre Entscheidung mittragen. Da liegen Nerven und Seele blank. Wenn dann jemand so frei sein und seine feste Glaubensüberzeugung bekennen kann ("man fällt nie tiefer als in Gottes Hand!"), dann ist dies ein gutes Zeichen in alle jenen Worte, Taten und Handlungen, die Christus uns für das Miteinander-Umgehen so dringend empfohlen hat: den Glauben leben, Verantwortung übernehmen in der Liebe bleiben. Dann wächst die Hoffnung, dass alles im Leben nicht umsonst war, sondern in Christus ein Ziel hat.

     

    Aber die taz schreibt lieber blödsinnigen Kappes.

  • MS
    Michael Suesterhenn

    Frau Käßmann hätte wegen dieses Fehlers nicht zurücktreten müssen.

     

    Aber durch ihren Rücktritt zeigt sie moralische Größe und Konsequenz, was sich manche zum Vorbild nehmen sollten.

  • S
    St.Schreiber

    Nun ist die taz nicht gerade bekannt dafür, dass sie viel über evangelisch kirchliche Projekte berichtet.(von anderen linken Zeitungen allerdings ganz ignoriert). Das Käßmann überhaupt Bischöfin werden konnte hat sie auch Millionen von Christen zu verdanken.Die überwältigende Reaktion in allen Medien auf ihren Rücktritt zeigt, wie viel Bedeutung und Erwartung der evangelischen Kirche doch noch zukommt.

    Käßmanns Rücktritt ist glaubwürdig. Wegen ihrer Glaubwürdigkeit wurde sie auch gewählt.

    Ein bischen mehr Berichte aus der lebendigen, globalen, evangelischen Arbeit würde der taz ganz gut stehen.

  • NV
    Nase voll

    Was für ein spekulativer Mist.

     

    "Unbarmherzig gegen sich selbst reagiert sie..."

     

    "Doch offenkundig überwog bei Käßmann der Drang zur Selbstbestrafung die Frage, ob der Druck von außen auszuhalten gewesen wäre." (??? Schwer verständlich. Was soll denn jetzt überwiegen? Der Drang zur Selbstbestrafung ODER die Frage?)

     

    Na, guck an. Woher wissen Sie das denn??

     

    Frau Kappert, Sie mögen vielleicht eine gute Journalistin sein. Aber ich glaube nicht, dass sie eine gute Hellseherin sind. Frau Käßmanns geheimes Tagebuch haben Sie vermutlich auch nicht geklaut.

     

    Hören Sie mit diesen bescheuerten Spekulationen über das Innenleben anderer Leute doch einfach auf. Das tut die Bild schon zur Genüge.

    Im Rahmen eines Kommentars wäre es m.E. wesentlich passender, sie würden darüber berichten, wie es Ihnen mit der Sache geht. Denn das dürften Sie tatsächlich wissen.

  • TZ
    The Zonk

    Ja, die gutgelaunte Frau Kappert, wäre sie wohl immer noch so gut gelaunt, wenn jemand aus ihrem Freundeskreis bzw. Familie an einer Hannoveraner Ampel totgefahren worden wäre? Obwohl die Ampel ´Rot´zeigte? Und am Lenker möglicherweise ein Mensch saß, der getrunken hatte? Ach so: Es war eine Frau, eine linksliberale Frau, die aufgestiegen ist! Dann sieht natürlich alles anders aus!

  • LH
    Lisa Hartmann

    Was für ein schwachsinniger Artikel.

    Keine Ahnung und alles in einen Topf. Sehr seicht...

  • S
    Schade

    Aus einer protestantischen Pfarrersfamilie stammend weiß ich, durch jahrhunderte langes Üben sind 1,54 Promille für uns noch lange keinen Grund nicht zu fahren. Das merkt man doch kaum.

    Das ist übrigens eins der Felder auf dem wir den Katholiken meilenweit voraus sind... zwei Maß und fahren? Pah!

     

    Aber mal im Ernst, eigentlich ist es schade, das Sie geht, aber dass Sie geht ist der Grund warum es schade ist. Soviel Selbstkritik fehlt den allermeisten in der Öffentlichkeit stehenden Personen, besonders in der Bundesregierung.

  • PF
    Pamewla ffm

    Die TAZ titelte heute auf Seite 1 über einem an Mao und dessen „Dem Volke dienen“ orientierten Kultposter von Käßmann: „Zum Wohl der Kirche.“

    Besser wäre gewesen: Zum Wohl, Kirche!

     

    Wer Moralinsaueres mit der Schippe unters Volk schaufelt und noch als Manna quasi, das man ganz persönlich endlos zu generieren in der Lage wäre, der kommt drin um. Ich weiß jetzt endlich, warum „unsere liebe evangelische Frau“ Käsmann heißt. Und nicht etwa Sophie von Gummersreuth, Reue und Weisheit kennt die wohl einzig in der Märtyrerform, als siucide-bombige Karriere. Ein einfaches „Mich dürstet“ und dann meint so ein Edellimburger Religionsstinker schon Kreuzigungen seien gefragt im Alltagsbetrieb. Evangelische Schahadas gar.

     

    Krieg in Afghanistan gegen Taliban ist einfach eine böße böße Sünd, ein Seelen-Amargedon geradezu für jeden gemütlichen TV-Auftritt und bringt auch die Frisur so wüst durcheinander und die Abende des einsamen weil inneren Beisichseins in der Diesnstvilla erst recht, ja man weiß das eben als hoher Vertreter der Einbuch-Religionsweisheit und man muss sowas künden und künden, auch gegen besseres Wissen, bis zur öffentliche Selbstkasteiung versteht sich , sonst hält man den Taliban ja nicht die rechte Backe hin als Christ (und unsere Freiheitsrechte als westliches Demokratieluder), und den Suff haben die ja auch einfürallemal verboten. Sünde ist Sünde, ein Glas Rotwein oder 5 , ein oder kein UN-Mandat, ist vor denen und Gott dasselbe: „Wehret den Anfängen“: sagte schon Mullah Omar. Ist auch noch eine Selbstverbrennung zu erwarten, vor dem Verteidigungsausschuss etwa?

     

    Ob die nicht vielleicht aus Mohammeds letzverpfropfter Propheten-Pulle sich einen nur winzigen Taliban hinter die Binde gegossen hatte, wie in ihrer Weihnachtspredigt, oder vielleicht auch einen doppelten. Schließlich macht Taliban noch süchtiger und Ostern steht vor der Tür, da muss das Fraternisieren ja fertig eingeübt sein. So ein Kamikaze-Sinkflug für Frieden am Taliban hat eben seine Gestehungskosten, überpersönliche und aeben auch allzu persönliche. Jedenfalls 1,5 Promille rechtfertigen eine Ad-Hoc-Selbstkreuzigung, ja wenn’s dem Weltfrieden dient und die Frisur schont, warum nicht!

    Echtes Oberammergau, aber am Hindukusch verteidigt.

  • J
    Joba

    Kern des christlichen (insbesondere auch evangelischen) Glaubens ist die Vergebung Gottes menschlicher Sünde und Schuld um Jesu Christi Willen. Symbolisch Sichtbar wird diese Vergebung in der Taufe und das Leben der ChristInnen ist nach Martin Luther eine tägliche Aneignung der Taufe. Auch Buße ist nach protestantischem Verständnis wichtig als Umkehr zu Gott, bei dem die Last menschlicher Verfehlung abgelegt werden kann. Selbst die Einzelbeichte mit persönlicher Gnadenzusage wurde in evangelischen Kirchen nie abgeschafft, lediglich die bei Katholiken anschließende Wiedergutmachung (satisfactio) in Form z.B. abgezählter Gebete. Dass sie weitgehend außer Gebrauch geriet, hat verschiedene Gründe, die ich hier nicht anführen will.

    Was hier nur grob skizziert wurde, soll zeigen, dass der für mich sehr bedauerliche Rücktritt Margot Käßmanns m.E. keine im engeren Sinne theologischen, sondern vielmehr säkular-ethische Gründe hat. Nicht Gott trägt ihr ihre begangene Dummheit lebenslang nach, sondern die Öffentlichkeit, in der sie ihr Amt ausübte, hätte sich schwer damit getan, kritische Aussagen wie die zu Afghanistan im erforderlichen Maße ernst zu nehmen, weil sie Menschen, besonders solche mit moralischen Ansprüchen, gerade nicht im Lichte christlicher Gnadenlehre betrachtet.

    So verstehe ich Käßmanns Rücktrittserklärung, die ja nicht zuletzt mit einer Vertrauensbekundung (" Du kannst nicht tiefer fallen....") endete.

  • RS
    R. Striegel

    Unsinn, liebe Frau Kappert. ProtestantInnen verhalten sich in einer solch hochbelasteten Lebenssituation nicht zerknirschter, nicht besser und nicht schlechter als KatholikInnen, beide reagieren menschlich. Was die Person Käßmann aber darüber hinaus auszeichnet: Klare Sicht auf persönliches Versagen, Respekt vor dem Amt. Und diese Klarheit und Kraft wünschte man mehr Menschen in Verantwortung, Frauen wie Männern!

  • M
    Morgenstund

    Wieviele Bankmanager, die Hauptverantwortlichen für die größte Krise des Finanzsystems in der Nachkriegszeit, sind zurückgetreten, weil sie alles ruiniert haben, was ihnen anvertraut war? Wie übernehmen Politiker Verantwortung für Fehlentwicklungen und Ungerechtigkeiten, die sie durch schlampige Gesetze oder superteure Prestigeobjekte verursachen? Wo sind die Verantwortlichen für den Atommüllskandal im Asse-Bergwerk? Verantwortung zu haben wird argumentativ benutzt, um Geld und Privilegien zu begründen, Verantwortung tatsächlich und persönlich spürbar zu übernehmen, findet nicht statt. Ein bemerkenswerter Schritt von Frau Käßmann, der aber in die allgemeine Kultur der Verantwortungslosigkeit nicht hineinpasst. Insofern ein respektabler Schritt mit Vorbildcharakter für alle, die Verantwortung nur als Alibi für die Durchsetzung ihrer Egoismen benutzen, um sich anschließend durch die Hintertür unbehelligt davon zu schleichen!

  • M
    Martin

    Ausgezeichnet geschrieben und alles auf den Punkt gebracht: es ist wirklich die Sebstbestrafung als höchster Form evangelischer Religiosität, die ihren historischen Ursprung in der tiefen Wut Luthers auf die Exzesse römisch-katholischen Ablaßhandels, Prasserei, Sauferei und Sexualexzesse hatte. Stattdessen Bilderverbot, strenge Erziehung, Verzicht auf Leiblichkeit und größtmögliche Askese. Luther proklamierte die direkte Verantwortung vor Gott, ohne Ablaß, ohne reinigende Beichte, ohne Hintertürchen zum Himmel. Während man bei den Katholiken immer wieder gewisse Türchen auch bei sexuellen Handlungen zu finden scheint, wie wir zur Zeit sehen. Und weil alles andere verboten ist und auffliegen könnte, sind dort Kinder das Zentrum von Trieben. Eine evangelische Frau, eine engagierte Frau, hat es vor diesem Hintergrund einer direkten Schuld besonders schwer mit ihrem Umfeld und auch mit sich selbst. Ich hätte es mir gewünscht, dass sie mit dem Hinweis auf die Wichtigkeit der Aufgaben geblieben wäre. Aber die Wichtigkeit der Person und der Schuld stand ihr höher.

  • T
    tsaG

    Sie hat ihre perönliche Entscheidung getroffen,so

    scheint es zumindest, dass sollte respektiert

    werden.

    Sie muß nicht mehr andauernd

    stellvertretend gesellschaftliche Probleme

    kommentierend in der medialen

    Öffentlichkeit auftauchen.

     

    Als Privatperson Käßmann kann sie deshalb

    auf Dauer nur gewinnen.

     

     

    Menschen, die über viele Jahre an der

    organisatorischen Spitze gesellschaftlich

    relevanter Gruppierungen stehen, alle Fehler

    an sich abprallen lassen und bei denen der Macht-,

    Positionserhalt die eigentliche Aufgabe ist,

    sind mir, mal abgesehen von der Art der

    Organisation, suspekt.

    Und da gibt es in Deutschland ja einige

    Dinosaurier.

     

    Die Basis des protestantischen Bodenperonals hat

    Frau Käßmann wieder.

     

    Nur,wer folgt ihr im Amt ?

    Hoffentlich eine

    ähnlich couragierte Persönlichkeit.

  • E
    E-F-V

    Ein schwerer Schlag für den linken Kirchenflügel

     

    http://www.unzensuriert.at/content/00622-moralinstanz-im-vollrausch

  • A
    anke

    Die Religion war‘s, das ist doch klar! Ines Kappert jedenfalls ist sich sicher: Einer Katholikin wäre das nicht passiert. Wirklich nicht?

     

    Was, wenn es nicht der Drang nach Selbstbestrafung war, der Margot Käßmann zum Rücktritt bewogen hat, sondern die blanke Vernunft? Die Frau war jahrelang mit Vollgas auf der Überholspur unterwegs. Im Auto kostet so etwas Sprit, im Leben Kraft. Irgendwann ist der Tank leer. Wenn nicht hier und jetzt, dann fünfhundert Kilometer und drei Stunden weiter. Das spricht nicht gegen Autos. Nur gegen Wunder.

     

    Wenn Margot Käßmann ein Mann wäre, würde kein Mensch ihr ihren Rücktritt vorwerfen - und erst recht keine Frau. Sie ist kein Mann. Und also werden umgehend Klischees strapaziert. Das Klischee der all zu leicht zerknirschten Frau beispielsweise, das des femininen Verantwortungsjunkies, das einer Person, die das Risiko und den Druck scheut. Und wieso das alles? Aus purer Enttäuschung. Es war doch alles gut, so, wie es war, oder etwa nicht? Vielleicht. Gut ausgesehen hat es jedenfalls. Bis zu diesem vermaledeiten Abend. Endlich hatte eine Frau das Sagen. Sie hat es allen gezeigt, immer wieder, stellvertretend. Für all die anderen Frauen, die sich nicht getraut haben, die zu bequem waren oder zu desillusioniert. Und dann sowas! Darf die das überhaupt? Sie darf. Sie hat immer gedurft. Wieso also sollte sie jetzt nicht dürfen?

     

    Die evangelische Kirche hat Margot Käßmann einiges zu verdanken. Die Frauenrechtlerinnen auch. Das könnte ein Grund zur Dankbarkeit sein. Ein Grund, der Frau den Rückweg zu verbauen, ist es nicht. Aber Fans sind nun einmal rücksichtslos. The show must go on. Fürs Publikum. Das hat es sich verdient. Womit eigentlich?

  • T
    Typisch

    Es wird wieder mal so getan, als habe eine evangelische Bischöfin nur betrunken am Steuer gesessen, während katholische Bischöfe kleine Kinder missbrauchen und im Amt bleioben dürfen.

    Diese konstruierte Analogie ist ein ziemlicher Quatsch und eine Journalisten nicht würdig.

    Es ist nicht so, dass unter Frau Kässmanns Leitung irgendwelche evangelischen Pastoren besoffen Auto gefahren sind und sie deswegen zurücktreten musste.

    Frau Kässmann ist SELBST besoffen Auto gefahren.

    Wären ihre katholischen Amtskollegen besoffen Auto gefahren oder hätten geschweige denn sogar Kinder missbraucht, hätten sie eher gestern als heute zurücktreten müssen.

    Wann sollte Frau Kässmann jetzt nicht zum Opfer hochstilisieren, sie hat der Kirche genug Schaden zugefügt.

  • MS
    Markus Strobl

    Jammerschade dieser Rücktritt. Eine Frau, die als Persönlichkeit ausserordentlich beeindruckend und geradlinig war. Ich durfte ihre Neujahrspredigt im Berliner Dom erleben. Lichtjahre lagen zwischen ihr und Huber, ihrem neoliberal angehauchten uninspirierten Vorgänger. Sie hat so vieles durchgestanden; warum nicht auch dies? Natürlich ist es ihre Entscheidung und ihr Schritt zu respektieren. Dennoch: Ein wenig lässt sie uns auch allein. Uns evangelische Christen, die mit ihrem Amtsantritt an einen kaum noch erhofften Neuanfang, eine Neupositionierung der EKD zu glauben wagten: Menschlich, sozial, friedenspolitisch und mit persönlichem Charisma repräsentierte Margot Käßmann diesen. Ihre Amtszeit war kurz. Dennoch: Wer ihr als EKD - Ratsvorsitzende/r folgt, wird sich an ihr messen lassen müssen!

    Ihr persönlich wünsche ich Glück, Gesundheit, Gottes Segen und alles erdenklich Gute!

  • J
    JFSebastian

    Dieses mal bin ich mit der Verfasserin vollkommen einer Meinung. Wir, d.h. wir im Bekanntenkreis, fanden diesen Ausrutscher Kässmanns sympathisch. Nicht dass wir es toll finden, alkoholisiert Auto zu fahren, aber das stand eine hoher Würden- und Funktionsträger, der sich sehr menschlich fehlbar zeigte, und damit glaub- und vertrauenswürdig. Mit Ihrem Rücktritt hat Frau Kässmann diese Sympathie verloren - der Ausdruck Vorzeigeprotestantin trifft es schon! Der Drang nach unglaubwürdiger Unfehlbarkeit und dem daraus begründeten Anspruch auf eine Machtposition. Also alles in Allem: Ist gut dass Sie zurückgetreten sind, Frau Kässmann, wir hatten uns nur kurz in Ihnen getäuscht.

  • M
    Matthias

    Gerade die Frage, ob Fr. Kaessmann diesen Druck - medial sowie persoenlich - stand gehalten haette, hat sie eindeutig mit dem Ruecktritt beantwortet. Zu tiefst menschlich, wie ich finde! Sie beweisst Rueckgrat, sie zeigt, dass Menschen fehlbar sind und Konsequenzen sofort tragen. Das schaetze ich an ihr, das macht sie symphatisch und ich wuensche ihr das Beste fuer ihren weiteren Lebensweg. Ich hoffe, dass sie weiterhin - jetzt ohne die "Belastung" etwaiger Aemter - oeffentlich ihre Meinung aeussert und so am oeffentlichen Diskurs beitraegt! Das wuensche ich mir sehr!

  • H
    Hans

    So ein schmarrn, wenn ein katholischer Bischof so besoffen gefahren wäre dann hätte er auch sein Amt etc. verloren.

     

    Ihr symphatisierte doch nur mit ihr weil sie extrem nach links gerichtet ist.

     

    Ich möchte es mal erleben dass für einen Katholiken so ein Mitleidsartikel verfasst wird wenn er sich strafbar macht und zurecht sein Amt verliert.

  • H
    Herber41

    Ihren Kommentar hier eingeben

    Ich finde in Ihrem Kommentar den Bezug der Straftaten des Kindesmißbrauches die in katholischen Einrichtungen

    vorgefallen sind in Bezug auf die Straftat von Frau Dr. Kässmann absolut polemisch. Die Straftaten des Kindesmißbrauchs werden genauso aufgearbeitet wie die Straftat von Frau Dr. Kässmann.

    Der Unterschied ist, dass Frau Dr. Kässmann das höchste Amt der evangelischen Christen in Deutschland vertritt.

    Frau Dr. Kässmann tritt zurück und das ist richtig.

    Ich wünsche Frau Dr. Kässmann vo Herzen in Ihrer neuen Funktion viel Glück und Erfolg.

    Und der Kommentarin mehr Übersicht.

  • M
    MichaelSuesterhenn

    Nach meinem Gefühl würde ich unterscheiden zwischen einer einmaligen Dummheit wie betrunkenem Autofahren, was man bereut und nicht wiederholt, und dem, was Margot Käßmann als nicht richtig kritisiert hat: zum Beispiel das fortgesetzte Leid der jungen deutschen Soldaten, die mit hohen Tagessätzen und Verharmlosung der tatsächlichen Gefahren dazu verführt werden, ihr Leben und ihre Gesundheit zu riskieren; das fortgesetzte Leid der afghanischen Zivilbevölkerung, die Selbsttäuschungen der Deutschen im Zusammenhang mit diesem Krieg; oder Westerwelles populistische Hetze gegen Hartz-IV-Empfänger.

     

    So sehr man sich gewünscht hätte, dass Frau Käßmann in ihrem Amt geblieben wäre, so sollte man dennoch mit Respekt ihren Rücktritt akzeptieren und diese Entscheidung nicht als Ergebnis angeblicher protestantischer Selbstbestrafungsmentalität deuten.

     

    In ihrer Entscheidung könnte sie ein Vorbild dafür sein, häufiger mal etwas weniger pragmatisch und stattdessen moralisch richtig zu handeln.

  • HM
    Helmut Magis

    Der Rücktritt ist wirklich bedauerlich und ein neuer Tiefpunkt an political correctness. - Selbstverurteilung ist auch irgendwie nicht christlich, wenn ich mich recht entsinne. Reue - Buße - Beichte - meinetwegen, aber Selbstverdammung, und politische Selbstverbrennung wegen einer allerwelts Straftat?!

     

    Naja, vielleicht fängt sich Frau Kässman ja wieder und bringt die deutsche Politik auf Vordermann z.B. als FDP-Vorsitzende hätte sie gleich mal die Hosen an.

  • BL
    Brigitte Löffelhardt-Schanz

    Einfach nur schade_ein unnötiger Rücktritt !Würden alle katholischen Priester zurücktreten,die in den Mißbrauchsskandal verwickelt sind oder waren,wer bliebe da noch übrig? Ich wünsche Frau Käßmann alles Gute und glaube,ihre Gemeinschaft kann noch nicht nachvollziehen wen sie da gehen läßt.Sie war der Mensch der die Kirche vertreten hat und ein Nachfolger wird nur ein billiger Abklatsch sein,egal wieviel Mühe er sich gibt,denn er wird wieder ein ach so toller Mann sein!

  • T
    Tomate

    Hallo, Ihr Protestanten! Ich wusste gar nicht, dass man bei Euch soviel Heiligkeit erwartet! Wie kann eine EKD-Vorsitzende als Rollenvorbild für echte Menschen gelten, wenn sie nicht auch ihre Sünden und Dummheiten hat?

     

    Traurig und unnötig ... Frau Käßmann gibt der allgemeinen politisch-korrekten Mobbing-Kultur in ihrer Kirche und unserem Land nach. Dabei sind (waren) Persönlichkeiten wie sie eher ein Lichtblick im öffentlichen Diskurs. Die Schnapsfahrt war eher etwas Törichtes denn ein echter Rücktrittsgrund. "Verantwortungsbewusstsein" - finde auch ich wichtig, aber hier ... blablabla. Dieser (vor-)schnelle Rücktritt, das ist das Enttäuschende!

     

    Schande auch über die, die sie über diesen hinterhältigen Umweg aus dem Amt gemobbt haben.

  • S
    Sukowsky

    Gut gemacht, jetzt ist sie wirklich angekommen. Nun, hat sie noch mehr Gewicht.

     

    Und entschuldige mich für meine ironschen Kommentare.

  • T
    theologe&christ

    mag sein, dass bei katholens anders auf so einen ausruchter reagiert worden wäre.

    die theologische begründung (sündenlehre), die ines kappert versucht, klingt etwas lächerlich.

    protestantisch ist nicht die selbstbestrafung, sondern das zugleich von sünder u gerecht!

  • CS
    C. Schneider

    Katholiken haben tatsächlich einen lockeren Umgang mit "Fehlern". Einige hunderte Fälle von Pädophilie scheint die Eminenzen wirklich Jahrelang nicht gekratzt zu haben. Zur Sünde wird eher was die Medien zur Sünde machen, und nicht die Moral.

  • F
    FRITZ

    Nonsense, von der ersten bis zur letzten Zeile.

  • H
    hto

    "Unbarmherzig gegen sich selbst reagiert sie auf ihren Fehltritt und tritt zurück."

     

    Wenn sie von ihrem Priesteramt gänzlich zurücktreten würde, dann könnte man von Unbarmherzigkeit gegen sich selbst sprechen - aber es geht eben immer nur um das wettbewerbsbedingte Surfen auf dem Zeitgeist, bzw. nur um die materialistischen Symptomatiken unseres "Zusammenlebens" wie ein Krebsgeschwür!?

  • C
    Cremisan

    Liebe Margot Käßmann!

    Bitte treten Sie nicht zurück; ich vergebe Ihnen, fahre selbst manchmal mit etwas mehr Promille im Blut Auto. Dazu bin ich weiblich und auch noch protestantisch!