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Kommentar KaczynskiPolnischer Totentanz

Kommentar von Gabriele Lesser

Der tödlich verunglückte Präsident Lech Kaczynski trägt jetzt einen Heiligenschein. Sein Zwillingsbruder will die Leuchtkraft für seine politische Karriere nutzen.

K aum wurde Polens Präsident Lech Kaczynski im Sarg aus dem Präsidentenpalast getragen, will sein Zwillingsbruder Jaroslaw dort einziehen. Als Testamentsvollstrecker, wie er offen zugibt. Dass er als Premierminister vor drei Jahren einem Horrorkabinett mit zwei radikalen Parteien vorstand, soll nun vergessen sein. Erstickt in Tränen über die "patriotische Elite", die angeblich im Unglücksflieger zu Tode kam.

Dass es wahrscheinlich Lech Kaczynski selbst war, der den Befehl zur Landung in Smolensk gab, dürfte in Polen nicht einmal diskutiert werden, wenn es nach Jaroslaw ginge. Denn der tödlich verunglückte Präsident, der im Herbst keine Chance auf eine Wiederwahl gehabt hätte, trägt nun einen Heiligenschein.

Er liegt in der Gruft des alten Königsschlosses in Krakau neben Königen und Heiligen. Dank Kardinal Stanislaw Dziwisz von Krakau, einem großen Anhänger des radikalen Radio Maryja und der nationalkonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" von Jaroslaw Kaczynski.

Gabriele Lesser

ist Auslandskorrespondentin der taz.

Der Wahlkampf in Polen wird nun zum makabren Totentanz. Jaroslaw Kaczynski will mithilfe der katholischen Kirche den alten Nationalmythos wiederbeleben und Polen als "ewigen Helden und Opfer der Geschichte" zeichnen - gegen die "ewigen Feinde", Deutschland und Russland. 2005 zog Lech Kaczynski die antideutsche Karte und schlug damit den Favoriten Donald Tusk aus dem Feld.

Diesmal sollte es gegen Russland gehen, und dazu brauchte es Katyn. Moskau müsse das Verbrechen als "Völkermord an den Polen" anerkennen, so Kaczynskis völlig überzogene Forderung. Und kaum hatten sich Wladimir Putin und Donald Tusk in Katyn die Hand zur ersten Versöhnungsgeste gereicht, giftete einer der Getreuen Kaczynskis, dies sei nur Moskauer Heuchelei.

Es ist zu hoffen, dass die Polen rechtzeitig vor den Wahlen aus ihrem Trauerrausch erwachen. Denn Jaroslaw Kaczynski hat ihnen außer toten Helden und Opfern wenig zu bieten.

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Auslandskorrespondentin Polen
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3 Kommentare

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  • DH
    Dr. Harald Wenk

    Mich interessiert immer noch, warum am Samstagmorgen mit dieser "alten Möhre" aus den 60igern, obwohl der Generalstab und der Chef der Luftwaffe dabei waren, ohne Einladung losgeflogen wurde. Die Übergabe der historischen Dokumente für Katyn erfolgte doch auch erst jetzt.

    Das Landeverbot wegen einer "Wolke" in Smolensk wurde an Bord wohl mehr politisch gesehen.

    Das Flugverbot der ganzen Woche könnte dagegen mehr diplomatische und Sicherheitsgründe haben.

    Eine "Wolke", die alle Präsidenten aus NATÜRÜLICH/TECHNISCHEN Begründung zu Hause bleiben lässt und alle Geschäfte lahmlegt, stellt den tasächlichen Zusammenhang zwischen Politik und Natur/Technik da direkt auf den Kopf und zwar in einer "mythenbildenn" Art.

    Fast eine Art "Verdrängung ins kollektive Unbewusste" aus den Lehrbüchern der Psychoanalyse.

    Sogar die künstlichen Massen Staat und Kirche

    mit Ersatzvätern Präsidenten firmieren.

    In Krisenzeiten ein gerne gebrauchter Trick für Regierungen.

     

    Angesichts des "Sensationsrennens" in der Aufmerksamkeit der Medien und der aktuellen Staatshausltskrise Griechenlands finde ich sogar das gleichzeitig stattfindende explizit linke ATTACTribunal für die eingangs gestellte Termminfrage des explizit konservativen polnischen Staatspräsidenten von Bedeutung. Auch der Notenbankchef war mit an Bord.

  • R
    roman

    ich bin pole und froh in berlin zu leben. und ich bin froh dass er tod ist !!!

     

    mein gott - wenn der arme seinen bruder verloren hat und darüber nicht hinweg kommt, soll er das feld räumen.

    polen ist längst bereit ein starker partner in europa zu werden. unser ehemaliger präsident - einer der übelsten den man sich vorstellen kann - hat unser land isoliert, ständig ungeheuerliche forderungen aufgestellt und wollte unser land ins 18. jahrhudert zurück führen. (erinnert sei an das erstarken der rechtsreligiösen kreise, die todesstrafe und die militante homophobie) ... das er jetzt zum nationalhelden werden soll, macht dieses ganze spiel zu einem widerlichen zirkus.

     

    danke an die autorin - es gilt widerstand zu leisten. hier geht es nicht um pietät sondern um politik.

  • LO
    ladniesjze_ od_kobiet

    Natürlich sollte man J. Kaczynskis Kandidatur kritisch sehen und seine Vergangenheit und seine Politik dabei berücksichtigen. Allerdings muss man auch feststellen, dass die PiS sonst niemanden hat, der eine Alternative darstellt.

     

    Dass Frau Lesser nur wenige Tage nach der Katastrophe einen sprachlich derart gehässigen und polenfeindlichen Artikel verfasst, ist schockierend. Immerhin hat der Mann seinen Bruder verloren. Selbst die linke polnische Presse zeigte Respekt vor den Toten und auch vor J. Kaczynski.

     

    Die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Polen wird nicht besser, wenn man gehässige Zeitungsartikel verfasst, nur weil man damit ein bestimmtes Publikum bedienen möchte.

     

    Frau Lesser, haben Sie selbst eigentlich mal länger in Polen gelebt???