Kommentar Justizreform in Polen: Kühl kalkuliertes Risiko
Staatspräsident Duda hat mit seinem Veto den Durchgriff der PiS-Regierung auf die Justiz weitgehend verhindert. Schade, dass er nicht weiterging.
E s ist eine Sensation: Polens Staatspräsident Andrzej Duda blockiert mit seinem Veto die rasant vorangetriebene Justiz-„Reform“ der nationalpopulistischen Regierungspartei. Zwar hatten die Demonstranten in den letzten Tagen und Nächten lautstark „3 x Nein“ gefordert, mit denen der Präsident ein ganzes Gesetzespaket zur Politisierung der Justiz verhindern sollte, doch auch „2 x Nein“ kann schon als gewisser Erfolg der Proteste gelten.
Das oberste Gericht und der Landesjustizrat bleiben fürs Erste unabhängig. Unterschrieben hat der Präsident allerdings das „Reform“-Gesetz über die allgemeinen Gerichte.
Niemand bestreitet, dass das Rechtssystem in Polen einer grundlegenden Reform bedarf. Allerdings sind es vor allem verkrustete Abläufe und Prozeduren, die Prozesse zu quälend langen und teuren Verfahren machen und häufig zu absurden Urteilen führen. Die nationalpopulistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) wollte aber nicht diese Missstände angehen, sondern verfassungswidrig alle bisherigen Richter am obersten Gericht und im Landesjustizrat in den Ruhestand schicken und durch PiS-loyale Richter ersetzen.
Der Präsident, der selbst Jurist ist, stand dieses Mal unter besonderem Druck. Er hatte drei Möglichkeiten: Er konnte erstens die verfassungswidrigen Gesetze unterschreiben, wie es der PiS-Parteivorsitzende Jarosław Kaczyński von ihm erwartete. Damit hätte er sich allerdings als Jurist diskreditiert. Er konnte zweitens die Gesetze an das Verfassungsgericht überweisen, das aber nur noch ein Erfüllungsgehilfe der PiS-geführten Regierung ist. Und er konnte drittens mit einem Veto die Gesetze zurückverweisen ins Parlament. Da die PiS keine Zweidrittelmehrheit im Sejm hat, kann sie sein Veto nicht überstimmen, so dass die beiden Gesetze nun tatsächlich vom Tisch sind.
Kühl kalkuliert, konnte er dieses Risiko wagen. Nur schade, dass er nicht auch das dritte Gesetz mit seinem Veto verhinderte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
BSW-Anfrage zu Renten
16 Millionen Arbeitnehmern droht Rente unter 1.200 Euro
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“