piwik no script img

Kommentar Jordanien und der ISDie Exekutionsspirale

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Der Kampf gegen den IS ist endgültig auf dem Boden der archaischen Blutrache angekommen. Der Lack staatlicher Zivilisation ist bald ab.

Eine Trauergesellschaft begleitet die Familie des ermordeten jordanischen Piloten. Bild: dpa

M it der Hinrichtung zweier gefangener Anhänger des sogenannten Islamischen Staates hat die jordanische Regierung unverzüglich auf die Verbrennung eines jordanischen Kampfpiloten reagiert. Weitere Hinrichtungen sind angekündigt. Mit diesen Racheakten ist der Kampf gegen den IS endgültig auf dem Boden der archaischen Blutrache angekommen.

Auf die Provokation der Verbrennung des Kampfpiloten bei lebendigem Leib haben die jordanischen Beduinen wie gewünscht reagiert. Der Vater des Piloten, der Scheich des Beduinenstammes der Kasaesbehs, Safi al-Kasaesbeh, sagte in einem TV-Interview: „Das Blut meines Sohnes ist auch durch die beiden Hinrichtungen noch nicht gesühnt.“ Er fordert weitere massive Angriffe der jordanischen Armee auf die Milizen des „Islamischen Staates“.

Damit dürfte nach Syrien und dem Irak auch in Jordanien bald der Lack staatlicher Zivilisation ab sein. Da hilft auch die Fassade einer modernen Armee nicht, wenn Auge um Auge und Zahn um Zahn das Gesetz des Handelns werden. Der jordanische König, von den Radikalen schon lange als Handlanger der Amerikaner geschmäht, kann sich den Forderungen der Beduinenstämme, die seine Herrschaft stützen, nur schwer entziehen, wodurch wiederum die IS-Sympathisanten im Land Aufwind erhalten.

Fast eine Million syrischer Flüchtlinge sind für die acht Millionen Jordanier bereits jetzt eine Belastung, die die Gesellschaft zu spalten droht. Mit den Rufen nach Rache und den notwendig darauf folgenden Reaktionen dringt der IS weit in die jordanische Gesellschaft ein. Ein weiteres Land im Nahen Osten droht den IS-Extremisten zum Opfer zu fallen. Man kann nur hoffen, dass es dem jordanischen König doch noch gelingt, das Abgleiten in die wechselseitig betriebene Gewaltspirale zu verhindern.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Es ist eben nicht "Auge um Auge". Da schleicht sich wieder Antijudaismus ein. Das biblische "Auge um Auge" will ja gerade die Eskalation der Gewalt verhindern. In Jordanien reichten heute scheinbar nicht mal zwei für einen.