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Kommentar Jobcenter-UrteilIm Jobcenter gibt es immer was zu tun

Barbara Dribbusch
Kommentar von Barbara Dribbusch

Karlsruhe hält die Hartz-IV-Gesetze für verfassungswidrig. Damit ist die Peinlichkeit für die Politik komplett. Wird das Urteil umgesetzt, drohen weitere Parallelverwaltungen.

W enn in Deutschland durch irgendein Gesetz Bürokratie abgebaut werden soll, ist immer größte Vorsicht geboten. Meist erwachsen aus der Vereinfachung neue Verwaltungsmonster, weil die Vereinfachung ja schließlich organisiert werden muss durch neue Richtlinien, Verordnungen, Ausführungsbestimmungen. Hartz IV mit einer Flut von Widersprüchen und Sozialgerichtsverfahren war dafür ein Paradebeispiel. Und jetzt ist das Gesetz auch noch verfassungswidrig. Peinlicher für die Politik hätte es nicht kommen dürfen.

Bild: taz

Barbara Dribbusch ist Redakteurin für Sozialpolitik im Inlandsressort der taz.

In der Praxis soll sich für die Langzeitarbeitslosen nichts ändern, beruhigte Bundesarbeitsminister Olaf Scholz umgehend. Gleiche Stellen, gleiche Mitarbeiter, die Auszahlung des Arbeitslosengeldes II sei mit dem Urteil nicht gefährdet. Im Hintergrund allerdings dürfte die Umstrukturierung Zeit und Energie verschlingen - und jede Menge neuen Ärger bringen.

Zur Erinnerung: Die Arbeitslosen- und die Sozialhilfe wurden zum Arbeitslosengeld II zusammengelegt, um Bürokratie zu sparen, Leistungen "aus einer Hand" zu gewähren. Deswegen entstanden in den Jobcentern die so genannten Argen, die Arbeitsgemeinschaften aus Mitarbeitern der alten Sozialämter und der früheren Arbeitsämter. Das Problem: Wie teilt man eigentlich Aufgaben auf, wenn ein Teil der Mitarbeiter bei der Stadt, der andere Teil aber bei der Bundesarbeitsagentur angestellt ist und somit unterschiedliche Dienstherren regieren? In den neuen Behörden knirschte es. Wird nun das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt, droht neues Ungemach.

Das Gericht urteilte, die Zuständigkeit zwischen Agenturen und Kommunen für die Langzeitarbeitslosen müsse künftig wieder klar aufgeteilt werden. Das Konzept "Alles aus einer Hand" ist juristisch gescheitert. Scholz deutete schon an, dass die Kommunen vielleicht künftig mit ihrem Personal allein für die Bewältigung der Mietkosten, die Agenturen hingegen nur für die Betreuung und Vermittlung der Langzeitarbeitslosen zuständig sein könnten. Neue Parallelverwaltungen also: Man sollte dafür ein paar Langzeiterwerbslose einstellen. Denn wenigstens im Jobcenter gibt es immer was zu tun.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
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1 Kommentar

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  • G
    gerdweber

    und nun noch ein Aprilscherz zu Weihnachten: "für die Politik ist es peinlich..." - Politik war doch schon immer eine einzige Peinlichkeit!!!