piwik no script img

Kommentar Jahrestag TiananmenRegime sucht Ausweg

Sven Hansen
Kommentar von Sven Hansen

Vor 22 Jahren fand in China das Tiananmen-Massaker statt. Mit der heimlichen finanziellen Entschädigung einer Familie setzt die Regierung ein vorsichtiges Zeichen.

E in Testballon Pekinger Art: erst mal nur einer Familie eines Opfers des Tiananmen-Massakers heimlich eine finanzielle Entschädigung anbieten. So kann die lästige Gruppe der Tiananmen-Mütter vielleicht geschwächt, wenn nicht gar gespalten werden. Der Familie, die sich darauf nicht einließ, gebührt Respekt für ihren Mut. Denn von offizieller Seite fehlt immer noch jede Reue.

Die heutige politische Stimmung in China kommt der nach dem 4. Juni 1989 so nah wie seitdem nicht mehr. Dennoch ist die Situation jetzt anders. Dank Internet, Mobilfunk, Wirtschaftsliberalisierung und größerem Wohlstand breiter Bevölkerungsschichten sind die Chinesen trotz wieder zunehmender Repression freier als damals. Es hat sich eine Mittelschicht herausgebildet, die von der KP-Herrschaft profitiert und dem Mantra der Stabilität folgt. Diese Menschen finden nicht alles gut, was Peking macht, aber sie haben etwas zu verlieren und keine Neigung zum Aufruhr. Arbeiterstreiks, Bauernrevolten, Umweltproteste sind in China trotzdem alltäglich. Doch ist keine überregionale Protestbewegung in Sicht.

1989 drohte die Inflation außer Kontrolle zu geraten. Die Karrierechancen von Studenten, die bis dahin garantiert waren, wurden plötzlich unsicher. Heute dagegen hat China die internationale Finanzkrise gut überstanden und gibt einen Teil seiner wachsenden wirtschaftlichen Potenz an die Bevölkerung weiter.

SVEN HANSEN ist Auslandsredakteur der taz mit Schwerpunkt Asien.

Dennoch wird die KP nicht umhinkönnen, sich eines Tages dem Massaker vor 22 Jahren zu stellen, so wie es irgendwann auch einen Bruch des überholten politischen Systems geben wird. Der Versuchsballon der halbherzigen Entschädigung könnte ein Indiz dafür sein, dass führende KP-Kader dies nicht nur wissen, sondern auch fürchten, und einen Ausweg suchen, der sie das Gesicht wahren lässt.

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Sven Hansen
Auslandsredakteur (Asien)
Asienredakteur seit 1997, studierte Politologie in Berlin und Communication for Development in Malmö. Organisiert taz-Reisen in die Zivilgesellschaft, Workshops mit JournalistInnen aus Südostasien und Han Sens ASIENTALK. Herausgeber der Editionen Le Monde diplomatique zu Südostasien (2023), China (2018, 2007), Afghanistan (2015) und Indien (2010). Schreibt manchmal auch über Segeln. www.fb.com/HanSensAsientalk @SHansenBerlin
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • J
    jzv

    ...und Deutschland wird sich eines Tages stellen muessen fuer den Tod der Zivilisten in Afghanistan welche durch die Bundeswehr ihre Leben verloren haben. Der Tag wird kommen!