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Kommentar Israels Vorstoß gegen MenschenrechtlerAusgehöhlte Demokratie

Kommentar von Georg Baltissen

Kritik ist Verrat. Das ist die Botschaft, die die Knesset verkündet. Der nächste Schritt wäre das Verbot regierungskritischer Organisationen oder die Inhaftierung ihrer Mitglieder.

K ritik ist Verrat. Das ist die Botschaft, die die Knesset verkündete, als sie am Mittwoch beschlossen hat, die Finanzierung der israelischen Menschenrechtsgruppen unter die Lupe zu nehmen. Die Finanzierung der Menschenrechtsgruppen in Israel ist jedoch längst transparent und jederzeit überprüfbar. Der Vorwurf, sie würden von "antizionistischen Agenten aus dem Ausland" finanziert, ist haltlos. Es geht in der Debatte eben nicht um eine Sachfrage, sondern um eine ideologische Auseinandersetzung, um die Hoheit über den politischen Diskurs. Wer Kritik an der Regierung, am Verhalten der Armee oder an Siedlungspolitik und Besatzung übt, soll mundtot gemacht und als "unpatriotisch" gebrandmarkt und damit aus der "demokratischen Debatte" ausgeschlossen werden. Der nächste Schritt wäre das Verbot dieser Organisationen oder die Inhaftierung ihrer Mitglieder.

Es trifft zu, dass Berichte von Gruppen wie Betselem oder Breaking the Silence dazu geführt haben, dass Exaußenministerin Zipi Livni und etliche Offiziere Auslandsreisen, etwa nach Großbritannien, abgesagt haben, um einer möglichen Verhaftung zu entgehen. Erst aufgrund solcher Berichte sind Vergehen oder gar Kriegsverbrechen von Soldaten und Offizieren der Armee an den Tag gekommen.

In Zukunft soll genau das unterbunden werden. Das ist das eigentlich Gefährliche dieses parlamentarischen Votums. Es ist nicht nur ein Zeichen von Intoleranz, die eigenen Verbrechen zu verschweigen. Ein solches Schweigegebot ist vielmehr ein konstitutives Element jeder autoritären Regierung, ja einer Diktatur.

Bild: privat

Georg Baltissen ist Auslandsredakteur der taz.

Noch ist die Initiative kein Gesetz. Aber die Wagenburgmentalität, die sie fördert und fordert, ist die wahre Gefahr für Israels Demokratie.

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Auslandsredakteur
61, ist Redakteur im Ausland und gelegentlich Chef vom Dienst. Er arbeitet seit 1995 bei der taz, für die er schon in den 80iger Jahren geschrieben hat. Derzeit ist er zuständig für die Europäische Union und Westeuropa. Vor seiner langjährigen Tätigkeit als Blattmacher und Titelredakteur war Georg Baltissen Korrespondent in Jerusalem. Noch heute arbeitet er deshalb als Reisebegleiter für die taz-Reisen in die Palästinensische Zivilgesellschaft. In den 90iger Jahren berichtete er zudem von den Demonstrationen der Zajedno-Opposition in Belgrad. Er gehörte zur ersten Gruppe von Journalisten, die nach dem Massaker von 1995 Srebrenica besuchte.
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5 Kommentare

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  • E
    end.the.occupation.39

    >> Ein Schweigegebot ist ein konstitutives Element einer Diktatur

     

    Das sollte Georg Baltissen mal in einer der Redaktionskonferenzen feststellen, denn wozu schweigt die taz noch hartnäckiger, wie zu den Verbrechen, die dieser Staat Tag für Tag an den Palästinensern begeht?

     

    Und warum behauptet Baltissen - der es besser weiss - das Israel eine Demokratie sei? Israel ist eine Demokratie für Juden - und ein Verbrecherstaat soweit er Araber betrifft.

     

    Und - soviel wird Baltissen wissen - selbst wenn Israel eine lupenreine Demokratie wäre - so besagt das rein gar nichts.

     

    Die USA - die formal eine lupenreine Demokratie ist - hat an der Ermordung von Millionen von Menschen - von den Philippinen, über Vietnam bis in den Irak - mitgewirkt. Ganz demokratisch.

     

    Hätte das dritte Reich 1941 Wahlen abhalten lassen, so wäre Adolf Hitler - einer der grössten Verbrecher der Menschheitsgeschichte - mit einer riesigen Mehrheit im Amt bestätigt worden.

     

    'Demokratie' ist kein Wert an sich. Auch Verbrecher können Demokraten sein - hier, in den USA und in Israel.

  • C
    Charlot

    @ von vantast

    der Westen schaut nicht nur zu. Er hat Israel in jüngster Zeit massiv aufgerüstet. Das Zeug muss jetzt verschossen werden, damit die westlichen Exportnationen weiter exportieren können. Aktuell die einzige Chance für Wachstum unserer Wirtschaft, auf den wir doch so stolz sind.

  • S
    Stefan

    Schon komisch, wenn sich Georg Baltissen und Freunde, die Könige der Leserbriefzensoren und Mundtodmacher, Sorgen um die Demokratie in Israel machen.

    Fakt ist, dass einige Organisationen explizit Verfehlungen der Polizei oder Armee (er)finden sollen, aus dem Ausland bezahlt werden. (...von wegen "unhaltbar"!)

    Die "Verbrechen" werden von der Presse zu solchen gehypt - auch vom Autor der TAZ.

  • L
    Laila

    Ist eh egal, Isreal ist ein weiterer lupenrein demokratischer Freund des US-dominierten Westens. Von daher werden selbstverständlich auch weiterhin alle völkerrechtswidrigen israelischen Vorgehensweisen auch von "ist-nicht-hilfreich"-Merkel ganz westlich-demokratisch gestützt.

  • V
    vantast

    Es wird Zeit, daß dieser Unruheherd in die USA verlegt wird, bevor er die ganze Region wieder in einen neuen Krieg stürzt, wie man bereits munkelt. Nicht nur, daß Israel Menschenrecht und Völkerrecht verletzt, nun auch ein neuer Krieg, und der Westen schaut wieder einmal nur zu?