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Kommentar Islamisten im IrakSelbstgemachter Krieg

Kommentar von Inga Rogg

Der irakische Regierungschef Nuri al-Maliki hat mit seiner verfehlten Politik die Extremisten starkgemacht. Aber nicht nur er hat versagt.

Freiwillige, die in die irakische Armee eingetreten sind, um gegen die Islamisten von Isis zu kämpfen. Bild: reuters

I n weniger als einer Woche haben sunnitische Extremisten eine Millionenstadt eingenommen und den halben Nordirak überrollt. Jenseits der Grenze in Syrien kontrollieren sie ebenfalls wichtige Gebiete. Der „Islamische Staat im Irak und in Syrien“ (Isis) scheint seinem Ziel nicht nur dem Namen nach, sondern auch faktisch einen Kalifatsstaat zu errichten, in rasender Geschwindigkeit näherzukommen. Das ist ein erstaunliches Comeback für eine Terrorgruppe, die vor vier Jahren in den letzten Zügen lag. Verständlich, dass die Alarmglocken schrillen, US-Präsident Barack Obama Militärschläge erwägt.

So kampferprobt und ruchlos die Extremisten der Isis sind, allein hätten sie die Eroberung dieser Gebiete nicht geschafft. Mit den Zeloten haben sich sunnitische Islamisten und Gruppierungen aus dem Umfeld des ehemaligen Regimes von Saddam Hussein zusammengespannt. Auf deren, aber auch auf Isis-Seite kämpfen erfahren Offiziere der ehemaligen Saddam-Armee.

Viel schwerer wiegt, dass die Extremisten und Hardliner den Rückhalt der lokalen sunnitischen Bevölkerung genießen. Viele schauen weg, andere sehen sie gar als Befreier. Es ist die Fortsetzung des Aufstands im westirakischen Anbar, wo seit sechs Monaten ein Krieg tobt.

Dass es so weit kommen konnte, dafür trägt in erster Linie Regierungschef Nuri al-Maliki die Verantwortung. Maliki hatte es nach dem Abzug der Amerikaner in der Hand, das Land nach den blutigen Kriegsjahren 2006–2007 zusammenzuführen. Die Amerikaner hatten das Land so weit stabilisiert, dass die Extremisten und Ewiggestrigen nur noch wenige Rückzugsgebiete hatten. Doch statt zu staatsmännischer Größe zu wachsen, hat sich der Schiit eingebunkert, immer mehr Macht an sich gerissen und die Sunniten mit Haftbefehlen gegen ihre gewählten Vertreter, Razzien und Massenfestnahmen, Folter und der brutalen Räumung eines Protestcamps erniedrigt und gedemütigt. Maliki setzte alles daran, den Sunniten zu zeigen, wer der neue Herr im Haus ist: die Schiiten. „Jetzt sind wir dran“, lautet das Credo auf der schiitischen Straße.

Jeder für sich selbst

Maliki macht für das Erstarken der Extremisten den Konflikt in Syrien verantwortlich. Das stimmt aber nur zum Teil. Er hat es zumindest geduldet, dass von Iran ausgebildete irakische schiitische Milizionäre zu Tausenden auf das Schlachtfeld im Nachbarland zogen. Er hat zugelassen, dass Teheran den irakischen Luftraum für Waffenlieferungen an den Despoten Baschar al-Assad nutzt. In Falludscha hat er wie Assad Fassbomben eingesetzt. Es spricht Bände, dass Flüchtlinge aus Mossul sagen, sie seien weniger aus Angst vor der Isis als vor einem Gegenangriff der Armee mit Fassbomben geflohen.

Mit seiner verfehlten Politik hat Maliki die Extremisten starkgemacht. Aber nicht nur er hat versagt. Das Erstarken von Isis und seiner Verbündeten ist auch ein Armutszeugnis für die gesamte politische Klasse der Sunniten und Kurden. Statt an einem Ausgleich waren sunnitische Politiker nur an kurzfristigem Vorteil und hohen Posten interessiert. Viele Sunniten gaben sich der Illusion hin, der Aufstand in Syrien ebne den Weg für den Sturz der Schiiten im Irak. Eine Verurteilung des Terrors der irakischen al-Qaida gegen die Schiiten kam ihnen nur selten über die Lippen.

Für die Kurden wiederum ist die Regierung Bagdad nur ein Vehikel, um in deren Schatten ihre Eigenständigkeit zu zementieren. An dem großen Pakt, den es für den neuen Irak bräuchte, haben sie wenig Interesse. Doch der Vormarsch der Extremisten und sunnitischen Hardliner sollte für alle ein Weckruf sein. Noch ist es nicht zu spät, um einen neuen Pakt aushandeln.

Die strittigen Punkte sind seit Langem klar: eine gerechte Verteilung der Macht, der Erdöleinkünfte und gegenseitige Anerkennung der Opfer. Das ist heute nicht einfacher als vor Jahren. Aber: Frieden schließt man mit dem Feind, nicht mit dem Freund. Wenn es nicht gelingt, werden am Ende Iraker verlieren: ob Schiiten, Sunniten oder Kurden.

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Auslandskorrespondentin Irak
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6 Kommentare

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  • Da muss man wirklich schon der Realitätswahrnehmungsstörung stark erlegen sein, um so eine Überschrift zu wählen.

    Frau Rogg,

    Wissen Sie, dass diese ISIS-"Freiheitskämpfer" auch von Ihnen als "Rebellen" in Syrien bezeichnet wurden und deren Bewaffung von taz immer wiedergefordert wurde, was auch zum Teil erfolgte.

    Nun nach 3 Jahren Krieg in Syrien sind die ehemaligen "Freiheitskämpfer" zum Terroristen erklärt worden.

    Dass Al-Malikis Politik verfehlt war, dürfte klar sein.

    Wer aber solche Gruppierungen, die den Schiiten feindlich gesinnt sind, bewaffnet und unterstützt, sollte er/sie sich nicht wundern, wenn diese "Freiheitskämpfer" in Syrien nicht halt machen werden.

     

    Frau Rogg, Sie waren doch in Antakya.

    Warum berichten Sie nicht davon, dass einer der Funktionäre der ISIS im April dieses Jahres in Antakya im staatlichen Krankenhaus behandelt worden ist.

     

    Solche Ereignisse passen aber ins Kram der westlichen Propaganda nicht, diese werden totgeschwiegen.

    Soviel zu Ihrer Glaubwürdigkeit.

  • D
    D.J.

    P.S.: Die Bezeichnung "Sunniten, Schiiten und Kurden", wie man sie immer wieder hört, ist eigentlich systemstischer Unsinn. Die Kurden sind ja auch überwiegend Sunniten, wenngleich seltener für Fanatismus anfällig. Man sollte eher von "sunnitischen Arabern", "schiitischen Arabern" und Kurden sprechen

  • D
    D.J.

    "Für die Kurden wiederum ist die Regierung Bagdad nur ein Vehikel, um in deren Schatten ihre Eigenständigkeit zu zementieren. An dem großen Pakt, den es für den neuen Irak bräuchte, haben sie wenig Interesse."

     

    Das dürfte so sein. Aber damit handeln die Kurden nun mal aus ihrer Warte vernünftig. Ihr Quasi-Staat funktioniert halbwegs. Selbst die Minderheiten, darunter viele ansässige und dorthin geflohene Christen, leben in Ruhe. Warum sollten die überwiegend säkular denkenden Kurden sich weiter mit diesem Irrenhaus abgeben?

  • "Dass es so weit kommen konnte, dafür trägt in erster Linie Regierungschef Nuri al-Maliki die Verantwortung" Den Schuldigen habt Ihr schnell gefunden. Darüber nie berichtet. Die USA und NSA, CIA, MI6, Mossad usw. konnten nicht ahnen, was sich da zusammenbraut. Sicher.

  • Ist ja suess, dass der Irak dadurch, dass er dem Praesidenten von Syrien, der ja noch im Amt ist, iranische Kaempfer zukommen lies, den Krieg im eigenen Land provoziert hat. Recht und Unrecht spielt bei Inga R. keine Rolle. Was haette der Irak denn ausserdem tun sollen? Einen anderen als den real existierenden Irak gibt es nicht.

     

    Noch spannender ist, was denn die USA nun tun sollten. Wie hat sie sich denn ueberhaupt den Irak nach dem Abzug der amerikanischen Bodentruppen vorgestellt? War da nicht ein Buergerkrieg vorprogrammiert?

    • @fritz2:

      ...hmm.. JA! Könnte sein das Ganze ist orchestriert´ als `WarTheatre´ mit Ziel regionaler Destabilisierung... Grausam ist das unnötige Leiden der Bevölkerungen...