Kommentar Iran: Die Kriegserklärung Chameneis
Ali Chamenei scheint egal zu sein, wie groß das Blutbad sein könnte, das auf das Land zukommt. Er bereitet sich schon auf diese Katastrophe vor.
D ie Maske ist gefallen. Ali Chamenei, der mächtigste Mann des Iran, hat Tacheles geredet. Es verwundert nicht, dass er die Wahlen für korrekt hält und Ahmadinedschad für weitere vier Jahre Präsident sein lässt. Das wussten die Iraner schon einen Tag nach der Wahl. Nein, er hat den Gegnern Ahmadinedschads offen und ohne jegliche Scham den Krieg erklärt.
Es scheint ihm egal zu sein, wie groß das Blutbad sein könnte, das auf das Land zukommt. Im Gegenteil: Er bereitet sich schon jetzt auf diese Katastrophe vor. Nichts verdeutlicht diese düstere Aussicht besser als seine letzten, von Tränen untermalten Worte. Gerichtet an den 12. verborgenen Imam der Schiiten - als dessen Stellvertreter er sich betrachtet -, verkündet Chamenei: "Oh, mein Herr, du bist der eigentliche Besitzer dieses Landes und ich bin bereit, meinen Körper, meinen versehrten Leib bis zum letzten Blutstropfen zu opfern. Denn ich bin nicht bereit, dem Druck der Straße zu weichen."
Sein Publikum, das auf dem Campus der Teheraner Universität eine Stunde lang seine Tiraden gegen Amerika, Zionisten oder verwestlichte Medien angehört hatte, heulte mit. Und dann kamen die Rufe "Wir warten auf deine Befehle". Diesen Befehl hatte er schon vorher klar ausgesprochen. Ab jetzt dürfe es keine Demonstrationen mehr geben und für all das, was geschehen mag, seien die Organisatoren verantwortlich. Sollten nun jene Menschen, die sich betrogen fühlen, weiterhin ihren Mut unter Beweis stellen wollen, dann ist ein persisches Tiananmen unvermeidlich.
Die unterlegenen Kandidaten Mussawi und Charubi müssen geahnt haben, dass Chamenei am Freitag den Krieg predigen will. Deshalb haben sie ihren Marsch für Freitag abgesagt und für Samstag um eine Demonstrationsgenehmigung gebeten, die es wohl nicht geben wird. Der Unterschied zum chinesischen Tiananmen wird sein, dass diesmal die Weltöffentlichkeit vom kommenden persischen Massaker keine Bilder von professionellen Kameraleuten, sondern wackelige Handy-Aufnahmen zu sehen bekommt.
Ausländische Journalisten dürfen seit Tagen über unerlaubte Versammlungen nicht berichten. Die Mehrheit von ihnen hat sowieso längst das Land verlassen. Eine Hölle unter Ausschluss der Weltöffentlichkeit. Die Schläger der Miliz haben begonnen, das Ende einer Twitter-Revolution in die Tat umzusetzen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!