Kommentar Iran: Machtkampf an der Spitze
Immer mehr Persönlichkeiten des Iran wechseln die Seite. Und im Lager der Radikalislamisten gibt es erste Stimmen gegen Ahmadinedschad. Eine Chance für die Protestbewegung?
D ie Krise, die die Islamische Republik seit der Präsidentschaftswahl vom 12. Juni heimgesucht hat, weitet sich nahezu von Tag zu Tag aus. Mittlerweile haben sich fast alle, die in der Politik Rang und Namen haben, der Protestbewegung angeschlossen. Die renommierte Geistlichkeit, die Großajatollahs, sind entweder zur herrschenden Macht still und leise auf Distanz gegangen oder sie haben sie öffentlich kritisiert.
Mit der Ernennung des neuen Vizepräsidenten Rahim Maschai durch den Regierungschef Mahmud Ahmadinedschad scheint sich nun auch ein Machtkampf innerhalb der Radikalislamisten anzubahnen - namentlich zwischen dem Präsidenten und dem Revolutionsführer Ali Chamenei. Präsident Ahmadinedschad weigert sich, der Anweisung des Revolutionsführers und der Aufforderung des Parlaments Folge zu leisten und die Ernennung zurückzunehmen.
Chamenei hatte im Zuge der Wahlen seine Position als oberste Instanz der Islamischen Republik, die unabhängig sein sollte, verlassen und eindeutig für Ahmadinedschad Partei ergriffen. Damit machte er sich zur eigentlichen Zielscheibe der Protestbewegung. Sein Engagement für den angeblich gewählten Präsidenten ging sogar so weit, dass er nicht nur jede Kritik an der Wahl zurückwies und als von außen gesteuert bezeichnete. Zu den zahlreichen Toten und Verletzten bei den Protesten brachte er nicht ein Wort des Bedauerns über die Lippen, obwohl das von ihm als Landesvater erwartet wurde.
Offenbar war Chamenei davon ausgegangen, dass sich sein Schützling als dankbar erweisen und ihm voll hörig sein werde. Doch dieses Kalkül erweist sich als Trugschluss. Siegestrunken glaubt Ahmadinedschad, sich auf militärische und paramilitärische Kräfte stützen und seine eigene Macht ausbauen zu können. In dieser Zuspitzung stellt sich nur die Frage, wer von beiden nachgeben und zuerst das Feld räumen muss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!